Ein Campus für Spitzenköche

Im Entlebuch soll bis 2020 die erste Höhere Fachschule (HF) Kulinarik entstehen. Andreas Fleischlin, Geschäftsführer des Schweizer Kochverbands, erklärt, was es mit dem 18-Millionen-Franken-Projekt auf sich hat.
Interview: Virginia Nolan – Fotos: z. V. g.
Veröffentlicht: 09.11.2017
Wo früher Ordensschwestern Ferien machten, soll die Nachwuchselite der Schweizer Küchenszene einziehen: Bis 2020 wird das ehemalige Ferienheim Heiligkreuz in Hasle zur Koch-Akademie umgebaut.

«Wir streben keine Akademisierung des Kochberufs an.»

An der Koch-Akademie Heiligkreuz sollen Schweizer Jungköche erstmals einen Abschluss auf HF-Niveau erwerben können. Warum braucht es dieses Diplom?
Andreas Fleischlin:
Wir streben damit keine Akademisierung des Kochberufs an. Im Gegenteil: Im Zentrum der Akademie steht das Handwerk. Wir erachten diese neue Ausbildungsmöglichkeit als notwendig, weil wir der Meinung sind, dass Köche heute nach der Lehre zu wenig Gelegenheit haben, um sich weiterzuentwickeln.

Warum?
Die klassische Form der Weiterbildung für Berufsnachwuchs waren früher die Lehr- und Wanderjahre im In- und Ausland. Wir stellen fest, dass immer weniger Jungköche bereit sind, sich auf diese Reise zu begeben. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die heutigen Jugendlichen sind viel stärker lokal verwurzelt, sie wohnen länger daheim, gehen früher feste Bindungen ein, sind häuslicher als vorhergehende Generationen. Das hat zur Folge, dass viele junge Köche nicht gewillt sind, für den Beruf umzuziehen oder ihren Lebensmittelpunkt zu verschieben. Ihnen fehlen dadurch wichtige Impulse, um den eigenen Horizont erweitern und ihr Handwerk perfektionieren zu können. Auf Dauer schadet diese Entwicklung dem Kochberuf.

Und da soll die Akademie Abhilfe schaffen.
Genau. Wir wollen die handwerkliche Vielfalt, welche die jungen Leute früher bei ihren Saison- und Auslandeinsätzen erlernten, unter einem Dach vereinen. Dafür werden wir hochkarätige Köche aus dem In- und Ausland als Dozenten verpflichten. Wir wollen unsere Idee aber nicht falsch verstanden wissen: Wir legen jungen Berufsleuten nach wie vor ans Herz, sich auf Lehr- und Wanderjahre zu begeben – denen, die diese Gelegenheit nicht wahrnehmen, möchten wir eine qualifizierte Alternative bieten. Letztlich geht es auch darum, die Position von talentierten Jungköchen im Wettbewerb zu stärken: Das Diplom belegt schwarz auf weiss, was sie gelernt haben und können. Früher erhielt bestenfalls ein Arbeitszeugnis, wer sich seine Sporen abverdient hatte.

Wen wollen Sie an der Akademie begrüssen?
Jungköche mit abgeschlossener Berufslehre sind das wichtigste Zielpublikum. Unsere Türen stehen aber auch ambitionierten Quereinsteigern offen, es wäre geradezu dumm, sie auszuschliessen. Denken Sie etwa an die Slowenin Ana Roš, die derzeit amtierende weltbeste Köchin. Sie ist gelernte Gärtnerin und über Umwege in die Küche gekommen. Unsere Leute müssen kochen können – alles andere bringen wir ihnen bei.


Auf dem Campus sollen die Studierenden auch wohnen.
Auf 4200 Quadratmetern sind sechs Schulküchen geplant.
Die Akademie steht auch ambitionierten Quereinsteigern offen.

Zum Beispiel?
Zuallererst geht es darum, die handwerkliche Basis aus der Lehre zu vertiefen. Wir blicken aber auch über den Tellerrand hinaus: Die Studierenden gehen zu Produzenten, verfolgen den Weg der Lebensmittel vom Feld oder Stall bis auf den Teller. Sie experimentieren mit unterschiedlichen Herstellungsmethoden, um die Produkte, die sie auf den Teller bringen, besser kennenzulernen. An der Akademie soll zu diesem Zweck auch eine Käserei entstehen. Das Schulareal umgeben 30000 Quadratmeter Landwirtschaftszone. Zu einem späteren Zeitpunkt ist geplant, dass die Studierenden mit dem verantwortlichen Bauern zusammenspannen und man gemeinsam Projekte realisiert, etwa zu traditionellen Gemüsesorten oder alten Nutztierrassen.

Wie viel Zeit und Geld soll die Ausbildung kosten?
Der Lehrgang dauert zwei Jahre und ist modulartig aufgebaut. Er wird die klassische, die archaische sowie die Labor-Küche umfassen. Auf vier Vollzeitmonate Studium folgen jeweils zwei Monate Pause, bevor es weitergeht. Die Kosten für den Lehrgang können noch nicht definitiv beziffert werden, sie bewegen sich aber im Rahmen der Studiengebühren für eine Hotelfachschule, also um die 20000 bis 25000 Franken. Offen ist zurzeit, ob Interessierte, die nicht den ganzen Lehrgang absolvieren möchten, einzelne Module besuchen können. Mich dünkt diese Möglichkeit sinnvoll, es ist aber noch ungewiss, ob sie mit den Kapazitäten der Akademie vereinbar sein wird.

Bildungsprojekt mit prominenten Botschaftern
An der Höheren Fachschule Kulinarik sollen bis zu 50 Jungköche ihr Studium aufnehmen können. Während des Studiums werden sie auf dem Campus wohnen. Die Kosten für dessen Um- und Weiterbau beziffert Fleischlin auf rund 18 Millionen Franken. Als Zwischeninvestor bis zur Baueingabe fungiert Odinga Promotions, eine Immobiliengesellschaft aus Uster. Bis im Sommer 2018 will der Kochverband den definitiven Investor präsentieren. Vordenker der Koch-Akademie ist Stefan Wiesner aus Escholzmatt, bekannt für seine vielgerühmte avantgardistische Naturküche. Das Projekt hat auch andere prominente Botschafter, etwa René Schudel, Tanja Grandits und Nenad Mlinarevic. Informationen zur geplanten Koch-Akademie gibt es hier.



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