Lieferservice als Ausweg

Um die Corona-Krise zu überbrücken, setzen immer mehr Restaurants auf Liefeservice. Viele schliessen sich dafür den Portalen grosser Kuriere an. Was haben diese zu bieten?
Text: Virginia Nolan – Foto: Kai Pilger / Pixabay
Veröffentlicht: 20.03.2020
Krise hin oder her, die Nachfrage nach Essensheimlieferungen wächst: Eine Studie von McKinsey beziffert den Markt auf weltweit 83 Milliarden Euro und geht davon aus, dass die Sparte bis 2021 jährlich 3,5 Prozent zulegen wird. In der Schweiz sollen es gar zehn Prozent sein.

«Grundsätzlich lohnt es sich für jeden Betrieb, ins Liefergeschäft einzusteigen.»

Die Schweiz ist im Ausnahmezustand. Am Montag hat der Bundesrat den Notstand verkündet und das öffentliche Leben weitgehend stillgelegt: Mindestens bis zum 19. April bleiben Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe, Läden, Restaurants und Bars zu. Corona trifft Gastronomen hart – und macht viele erfinderisch, wie sich bereits wenige Tage nach dem Lockdown zeigt. So sind da etwa Betriebe, die kurzerhand auf Take-away umsatteln oder sich mit Online-Angeboten neue Absatzkanäle schaffen. Und immer mehr Restaurants wollen die Krise mit Heimlieferdienst überbrücken. Viele suchen dafür den Schulterschluss mit grossen Kurier-Plattformen, die als Vermittler zwischen Gast und Restaurant fungieren. Denn das Food-Delivery-Business ist hart umkämpft – und neue Geschäftsmodelle in Eigenregie aufzuziehen alles andere als einfach. «Aktuell verzeichnen wir 30 Prozent mehr Besuche auf unserer Website und unseren Apps – und 50 Prozent mehr Anfragen von Gastronomen, die mit uns zusammenarbeiten wollen», sagt Dominic Millioud, Managing Director Schweiz von Eat.ch, dem Branchenschwergewicht der Schweizer Essenskuriere mit über 2000 Restaurants im Portfolio. «Wir erhielten diese Woche etliche Anfragen von potenziellen Partnerrestaurants», bestätigt auch Elizabeth Cummins, Miteigentümerin von Mosi.ch, dem ältesten Anbieter hierzulande. «Die Suche nach Wegen aus der Krise läuft in der Branche auf Hochtouren.»

Was können Kurierdienste Gastronomen in diesem Zusammenhang bieten, und für wen lohnt sich eine Zusammenarbeit? Die Frage ausschliesslich im aktuellen Kontext zu betrachten, greift zu kurz. Denn Krise hin oder her, Marktanalysen zeigen, dass die Nachfrage nach Essensheimlieferungen seit Jahren wächst. Eine Studie des Unternehmensberaters McKinsey beziffert den Markt auf weltweit 83 Milliarden Euro und geht davon aus, dass die Sparte bis 2021 jährlich 3,5 Prozent zulegen wird. Erhebungen für den Schweizer Markt legen nahe, dass es hierzulande sogar bis zu zehn Prozent sein dürften. Dafür spricht der Geschäftsgang von Branchenvertretern wie Eat.ch oder Smood.ch, die jährlich dreistellige Wachstumsraten melden. «Darum», sagt Millioud, «lohnt es sich grundsätzlich für jeden Betrieb, ins Liefergeschäft einzusteigen. Vom Kettenrestaurant bis zur Kleinbeiz kann jeder profitieren.» Und zwar nicht nur in den Städten, wie Auswertungen von Eat.ch zum Gesamtmarkt zeigen: Mehr als die Hälfte aller Bestellungen trifft aus ländlichen Gegenden ein, vermutlich, weil dort die Restaurantauswahl bescheidener ist.

Lieferdienste bieten Gastronomen unterschiedliche Kooperationsmodelle an. Bei der Basisvariante koordinieren sie für Betriebe die Bestellungen und listen das Restaurant und sein Angebot auf ihrer Internetplattform, über die Kunden per Mausklick oder Telefon bestellen können. Die Auslieferung des Essens, organisiert der Gastronom selbst. Im Vollservice-Modell hingegen nimmt ihm der Kurierdienst sowohl Bestellwesen als auch Auslieferung ab.

Welche Optionen bieten Kuriere Gastronomen, die nun kurzfristig auf Heimlieferdienste, aber nicht an langfristige Verträge mit der Plattform gebunden sein wollen? «Unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist kann das Restaurant den Vertrag jederzeit kündigen – wenn es das Essen selbst ausliefert», sagt Millioud von Eat.ch. «Übernimmt hingegen unsere Flotte den Lieferdienst, streben wir mit dem Gastronomen eine langfristigere Zusammenarbeit an, das heisst, bis mindestens Ende 2020.» Der Grund dafür sein ein höherer Initialaufwand im Hinblick auf Administration, Logistik und Personal. «Dafür entfällt für Gastronomen das Risiko, Kuriere, die sie aufgrund des aktuell erhöhten Bestellvolumens neu einstellen müssten, bei einer Normalisierung der Lage nicht mehr beschäftigen zu können.»

Allem Ansturm zum Trotz: Kapazität für neue Partnerrestaurants haben die Kuriere nach eigenen Angaben genügend. «Wir reagieren schnell», sagt Cummins von Mosi.ch, «das heisst, wir können neue Partnerbetriebe innerhalb von 24 bis 48 Stunden auf der Plattform aufnehmen, ihr Angebot präsentieren und sie mit einer breiten Community vernetzen.» Mosi.ch bietet Partnern jedoch ausschliesslich die Vollservicevariante mit Übernahme der Auslieferungen an. Auf die aktuelle Krise reagiert der Kurier mit verschiedenen Angeboten, die Gastronomen durch die Krise helfen sollen – angefangen bei massgeschneiderten Image-Videos bis hin zu vereinfachten Zahlungsmodalitäten für den Endkunden, der neuerdings nicht nur via Kreditkarte, sondern auch auf Rechnung bestellen kann, um Bargeldaustausch zu vermeiden. «Ausserdem lancieren wir nächste Woche ein neues Bonusprogramm, das noch mehr Besucher auf unsere Plattform locken wird», sagt Cummins, «und erhöhen die Frequenz unserer Newsletter – inklusive Gratis-Liefercodes, damit Gäste das Angebot neuer Partner kennenlernen können.»

Uber Eats, der jüngste Marktvertreter unter den Heimlieferdiensten, bietet Partnerrestaurants und potenziellen Neuzugängen aufgrund der aktuellen Lage diverse Sonderkonditionen. So zahlen etwa Restaurants, welche die App Uber Eats bis zum 31. März neu nutzen möchte, keine Aktivierungsgebühr, und für sämtliche bestehende Partner entfallen bis dahin die Liefergebühren. Ausserdem, heisst es, hätten neuerdings alle Gastronomen, die Uber Eats nutzen, die Möglichkeit, ihre Einnahmen täglich statt nur einmal pro Woche abzurechnen, was insbesondere kleinere Betriebe beim Cash-Flow-Management unterstütze. Um Registrierungen schneller zu bearbeiten, hat Uber Eats das Personal aufgestockt: Neue Partnerbetriebe werden nun innerhalb von vier Tagen aktiviert und online gelistet.

Die Take-Away-Lösung oder Heimlieferungen sind derzeit die einzigen Möglichkeiten, Gäste auf alternativem Wegen zu erreichen. Kurierdienste mit entsprechender Reichweite, die Gastronomen beide Optionen anbieten, sind Eat.ch und Smood.ch: Auf deren Portal kann sich der Gast Essen nach Hause bestellen – oder es per Mausklick zum Take-out im Restaurant reservieren. Ihre Preise nennen Heimlieferdienste nicht öffentlich, sie betonen einzig, dass die Konditionen für jeden Partnerbetrieb identisch seien. Die Nachfrage bei Gastronomen legt nahe, dass die wichtigsten Player ihnen im Durchschnitt ähnliche Konditionen bieten: Für seine Vermittlungsarbeit zahlt das Restaurant dem Kurier rund 15 Prozent pro Lieferung – gut 30 Prozent sind es, wenn der Kurier auch die Fahrt übernimmt.

Weniger ist mehr: Diese Devise legt Millioud von Eat.ch Gastronomen ans Herz, die mit einem Lieferservice die Krise überbrücken und Neuland betreten wollen: «Am besten ist es, die Menükarte zu verkleinern und vor allem auf die beliebtesten Gerichte zu setzen. So hält man das Risiko eher gering. Und natürlich müssen die Stammgäste informiert werden.»



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