«Man muss alles kochen können»

Seit 27 Jahren prägt der Bergamaske und vielfach ausgezeichnete Meisterkoch Dario Ranza die kulinarische Entwicklung der Villa Principe Leopoldo. An diesem Donnerstag feiert das Tessiner Hotel am Lago di Lugano sein 30-Jahre-Jubiläum.
Interview: Mia Bavandi – Fotos: Fabrice Bouverat, z. V. g.
Veröffentlicht: 29.03.2017

 

«Ich glaube an die Entwicklung ohne Revolution.»

Nach 27 Jahren als Koch und Küchenchef im Restaurant der Villa Principe Leopoldo gehören Sie fast schon zum Inventar. Haben Sie jemals die Selbstständigkeit in Erwägung gezogen?
Nein, mir war nie langweilig. Und ich bin immer noch mit viel Liebe und Motivation bei der Sache. Früher hegte ich einmal die Idee, selbstständig eine Art Grotto für ein paar Tage in der Woche aufzumachen. Doch so lange die Gesundheit mitmacht, plane ich bis zu meiner Pension im Principe Leopoldo zu bleiben. Man lässt mir hier freie Hand.

Wie hat sich die Tessiner Küche in den vergangenen Jahren verändert?
Sie hat sich entwickelt, hin zu einer mediterranen Küche. Das erwarten mittlerweile auch die Touristen. Früher gab es in diesem Tal nicht sehr viel. Fisch, Mais oder Maroni waren Hauptnahrungsmittel. Würden wir nur mit Tessiner Produkten kochen, gäbe es fast nur Kastanien-, Kürbis- oder Kohlgerichte. Das wäre langweilig. Traditionelle Gerichte wie Risotto oder Polenta gibt es natürlich noch, aber mit einem mediterranen Einfluss. Dieser kommt auch von den italienischen Köchen, die im Tessin klar in der Mehrheit sind. Und Italiener kochen italienisch.

Sie gelten als Risotto-Meister. Welchen Stellenwert hat das Traditionsgericht in Ihrem Haus?
Ein Hotel sollte ein bis zwei imagebildende Leitgerichte haben. Unser Risotto steht für den Stil des Hauses und verschafft den Gästen einen zusätzlichen Grund, zurückzukehren. Prinzipiell koche ich aber alles gerne. In Genf habe ich die französische Küche gelernt, in Graubünden die Liebe und den Geschmack von italienischen Gerichten wie Pasta entdeckt. Erst im Principe Leopoldo habe ich mit Risotto angefangen.

Beschreiben Sie Ihren Kochstil. 
Entwicklung ist immer ein Thema, aber ich glaube an die Entwicklung ohne Revolution. Wir haben unsere Küche der Zeit und den Erwartungen der Gäste angepasst. Ich liebe die klassische, einfache, modern interpretierte, mediterrane Küche, die den Geschmack eines Produktes erkennen lässt. Ein Gericht sollte maximal aus drei bis vier Elementen bestehen. Alles, was dazu kommt, soll begleitend sein und die Harmonie nicht zerstören.

Wie hat sich die Kochwelt verändert?
Ich glaube, dass man heute besser und gesünder isst, als noch vor 30 Jahren. Es wird vor allem leichter gekocht, zudem haben wir die Möglichkeit, laufend frische Nahrungsmittel beziehen und verarbeiten zu können. Während früher einmal pro Woche frischer Fisch geliefert wurde, steht er jetzt nahezu täglich zur Verfügung.

Das Restaurant Principe Leopoldo ist mit 17 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet. Was ist wichtiger, Gault-Millau-Punkte oder Online-Plattformen wie Tripadvisor?
Punkte und Sterne sind wichtig, weil sie dem Restaurant Visibilität verleihen. Und es passiert immer mehr online. Auch ich schaue nach, was Gäste anmerken, und vor allem, ob sie zu uns zurückkommen wollen. Wir kochen nicht für Sterne, sondern für unsere Gäste, deren Meinung ist mir wichtig. Ärgerlich ist, wenn ein Gast sich am Abend auf Nachfrage zufrieden zeigt, dann aber im Nachhinein und anonym eine schlechte Kritik verfasst. Fehler können passieren, in so einem Fall würde ich mich auf ein direktes Gespräch mit dem Gast freuen, um sofort reagieren zu können.


Was raten Sie einem jungen Menschen, der Koch werden will?
So viel Erfahrung wie möglich zu sammeln: in einer Spitalküche, einer Kantine, in Beizen oder Restaurants, um dann zu entscheiden, was einem am besten gefällt. Man muss alles kochen können. Viele junge Menschen wollen nur in großen Restaurants arbeiten. Aber sie sollten auch lernen, was man aus einem Stück Schulter, aus Küchenabfall oder Gemüseresten machen kann. Wenn sie die Basis, die Produkte und die Geschmäcker kennen, und die Zubereitungs- und Mischtechniken beherrschen, dann kann man sich über Kreativität unterhalten. Fusionsküche ist gut, so lange es keine Konfusionsküche wird. Bei aller Medienaufmerksamkeit vergisst man oft, dass der Beruf vor allem harte Arbeit ist, für den man, wie in jedem andern Beruf auch, vor allem Leidenschaft mitbringen muss.

Wie wichtig ist Teamarbeit für Sie?
Ohne ein Team ist der Küchenchef gar nichts. Ich kann so viel bringen, wie ich will, aber wenn mein Team mich nicht versteht oder nicht mitspielt, weil es meine Meinung nicht teilt, läuft gar nichts. Die Mitarbeiter müssen wie Klone des Küchenchefs sein.

Was essen Sie am liebsten?
Alles! Ich bin immer bereit, alles zu probieren. Es gibt nur eine Sache, die ich nicht mag und das ist Kalbsleber, aber das hat mit Kindheitserinnerungen zu tun.

Mit welchen Überraschungen dürfen die Gäste zum Jubiläumsfest der Villa Principe Leopoldo rechnen?
Die Zeit ist kurz, und es gibt ein dichtes Programm. Wir werden Fingerfood und natürlich Risotto-Variationen zubereiten, das erwarten die Gäste auch. Und es gibt eine Jubiläumstorte.



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