Mutterhefe auf Urlaub

Eine selbst gezüchtete Sauerteigkultur ist die Grundlage für einzigartige Brote. Doch sie braucht viel Pflege. Die können Hobbybäcker jetzt an Martin Mayer abtreten, wenn sie verreisen. Der Bäcker aus Uster hat dafür ein Sauerteig-Hotel eröffnet.
Text: Virginia Nolan – Foto: z.V.g.
Veröffentlicht: 26.10.2020
MIt Laib und Seele: Es heisst, Martin Mayer führe in der Bäckerei Vuaillat, die drei Filialen in der Region Uster betreibt, das grösste Sauerteigbrot-Sortiment der Schweiz.

«Es ist ein bisschen wie mit einem Baby. Das kann man auch nicht allein lassen.»

Brotbacken ist der Trend der Stunde, und spätestens im Lockdown wagte sich zumindest probeweise auch an dieses Hobby, wer sich vorher nie dafür interessiert hatte. Immer mehr Konsumenten, Hobbybäcker und Gastronomen entdecken den Wert handwerklich hergestellten Brotes neu, mit dem das Pendant aus dem Supermarkt nur schwer mithalten kann. Mit ihnen steigt auch die Anzahl derer, die es genau wissen wollen und ihren eigenen Sauerteig ansetzen. Doch diese Starterkultur aus natürlichen Hefebakterien, Mehl und Wasser, das Ausgangsprodukt für einzigartige Brote, will gehegt und gepflegt werden. Dazu gehört die Aufbewahrung im Kühlen sowie regelmässiges «Füttern» der Mutterhefe mit Wasser und Mehl. Da kommt der Urlaub vom Hobbybäcker ungelegen, wenn sein kostbarstes Gut bis zum nächsten Backspass überleben soll.

«Es ist ein bisschen wie mit einem Baby», sagt Martin Mayer lachend, «das kann man auch nicht allein lassen.» Der Inhaber der Bäckerei Vuaillat, die drei Filialen in der Region Uster betreibt, kennt das Problem aus eigener Erfahrung – und schafft nun Abhilfe: In seinen Produktionsräumen in Niederuster hat der Bäcker diesen Monat sein Sauerteig-Hotel in Betrieb genommen. Wer seinen Sauerteig bei Abwesenheit in guten Händen wissen will, kann ihn hier einchecken. 49 Franken pro Woche kostet das Rundum-sorglos-Paket, mit dem Hobbybäcker die Pflege ihrer Starterkultur an Mayers Team abtreten. «Das einzige Gepäck, das es für einen erfolgreichen Aufenthalt braucht, ist ein bisschen Mehl», so Mayer.

Sauerteigbrot ist nicht nur luftig, knusprig und geschmacksintensiv, es ist auch besonders bekömmlich und lange haltbar.
Neuerdings zeigt Mayer Hobbybäckern in Sauerteig-Kursen, wie richtig gutes Brot auch zu Hause gelingt.

Mit seiner Geschäftsidee dürfte Mayer ins Schwarze treffen – «wäre da nicht die wieder aufflammende Coronakrise, mit der Urlaub gar nicht erst zum Thema wird», sagt er und schmunzelt. Ausgebucht ist sein neu eröffnetes Teig-Hotel demnach bei weitem nicht; doch die Idee dahinter habe ihm bisher viele positive Rückmeldungen beschert, freut sich Mayer. Und es ist denn auch anzunehmen, dass wieder bessere Zeiten kommen und mit ihnen Hobbybäcker, die auf Reisen gehen. Dann dürfte in Niederuster wohl die eine oder andere Starterkultur Urlaub machen. Bis dahin widmet sich Mayer weiterhin seiner Leidenschaft – dem Bäckerhandwerk im Allgemeinen und den Sauerteigbroten im Speziellen. Mit den 15 verschiedenen Sorten, die er und sein Team pro Woche produzieren, biete Mayer das schweizweit grösste Sortiment an Sauerteigbroten, heisst es. «Ich weiss nicht, ob das stimmt», sagt der Bäcker, «aber jedenfalls habe ich hierzulande noch keine grössere Auswahl angetroffen.» Seine Leidenschaft für Sauerteigbrote auf Weizenbasis hatte Mayer während seinen Lehr- und Wanderjahren in Neuseeland entdeckt, und er war einer der ersten Schweizer Bäcker, die das etwas in Vergessenheit geratene Handwerk neu zelebrierten. «Sauerteigbrote aus Roggen waren in der Auslage der Bäcker damals durchaus vertreten», sagt Mayer, «aber das Pendant aus Weizen war praktisch von der Bildfläche verschwunden.» Nun feiert es, findigen Bäckern wie Mayer und harten Zeiten sei Dank, ein Revival – das dem Sauerteig-Hotel dereinst hoffentlich viele Gäste beschert.

Die älteste Filiale der Bäckerei Vuaillat an der Seestrasse 39 in Uster nahm vor 150 Jahren unter dem Namen Bäckerei Denzler den Betrieb auf. In den 1890er Jahren übernahm die Familie Vuaillat die Bäckerei, und im Lauf der Jahre kam eine weitere Filiale in Uster dazu. Der gelernte Bäcker Martin Mayer übernahm den Familienbetrieb 2016 und positionierte ihn erfolgreich neu. 2018 eröffnete er eine dritte Filiale in Illnau. Mayer zelebriert das Bäckerhandwerk nach alter Manier und bietet in seinem «Bachatelier» in Uster neuerdings auch Sauerteig-Kurse an, die Wissenswertes zum Thema vermitteln und Hobbybäckern aufzeigen, wie die Starterkultur zu Hause gelingt. Mehr Informationen zum Thema und den Kursdaten gibts hier.



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