Von Höhen und Tiefen

Im Winterthurer Fritz Lambada zieht Simon Schneeberger mit gemischten Gefühlen Bilanz: Seine nordisch inspirierte Kost erntet mitunter harsche Kritik. In drei Gängen beweist der junge Visionär, dass er die Freude am Kochen darüber nicht verliert.
Text: Sarah Kohler – Fotos: Jürg Waldmeier
Veröffentlicht: 15.11.2017 | Aus: Salz & Pfeffer 8/2017
Topinambur, Kräuterseitlinge, Eigelb, Liebstöckel

«Es ist schwieriger als erwartet.»

Hoch oben, im 23. Stock des Roten Turms in Winterthur, ist Simon Schneeberger auf dem Boden der Realität angekommen. Der 32-Jährige, der letztes Jahr aus Kopenhagen zurückkehrte, um mit zwei Partnern das Fritz Lambada zu eröffnen, wirkt geknickt: «Es ist schwierig», sagt er. «Schwieriger als erwartet.»

Doch woran liegts? Hier kocht ein junger Mann voller Elan und Ambition, mit viel Talent und der klaren Vision von einer radikal aufs Regionale beschränkten Küche, den auch Gault & Millau und Michelin loben – und das kommt nicht an? Das Fazit nach der ersten Saison zumindest fällt ernüchternd aus: Was in Kopenhagen normal ist und in Zürich voll im Trend liegt, stosse in Winterthur auf Skepsis, sagt Schneeberger. Vor einem halben Jahr stieg er als Teilhaber aus, ist seither als Küchenchef angestellt: Er sei eben Koch und kein Unternehmer. Eine komplette Abkehr von seiner Vision liegt für ihn allerdings nicht drin; zu sehr glaubt er selbst daran. Ausserdem sei er seinen Mitarbeitern verpflichtet: «Sie haben sich wie ich bewusst für diese Art von Küche entschieden.»

Änderungen gibts im Lokal mit rund 30 Plätzen trotzdem. Die ursprüngliche Kombi von Bar und Restaurant ist Geschichte, den Radius von 30 Kilometern, aus dem die verarbeiteten Produkte stammen sollen, musste Schneeberger aus Kostengründen erweitern, und auch davon, ausschliesslich ein Überraschungsmenü in drei oder fünf Gängen für (überaus faire) 70 respektive 120 Franken aufzutischen, sehen die Betreiber mittlerweile ab. Neu erhält der Gast auf Wunsch eine Karte und kann die Gänge auch einzeln bestellen. «Damit öffnen wir uns dem Winterthurer, der das zu brauchen scheint», so Schneeberger: «Ich freue mich über jeden Gast, der uns ebenfalls offen begegnet.»

Es ist ein Glück, dass Schneeberger ein sturer Cheib innewohnt; ein empfindsamer Geist, aber eben auch ein unbeirrbarer, wenns um die sinnstiftenden Aspekte des Essens geht. Und einer, der die Freude am Kochen nicht verliert. Am Herd ist die Ernüchterung verflogen, sprüht die Energie, sitzt jeder Handgriff, geschmeidig, flink. Und die Augen leuchten, wenn Schneeberger zu reden beginnt: über seine Leidenschaft fürs Backen von Sauerteigbrot, das Ei vom Bruderhuhn, die Entenbrust von Clavadetscher und den Sanddorn aus dem Bündnerland. Denn, und das legen wir den Winterthurern an dieser Stelle ans Herz: In Schneebergers Gerichten stecken neben technischer Raffinesse und kompositorischem Geschick immer auch Geschichten, die zu erzählen – und zu hören – es sich lohnt.

Fritz Lambada
Theaterstrasse 17, 8400 Winterthur
052 212 00 22
www.fritzlambada.ch

Ente, Pastinake, Birne
Magenbrot, Sanddorn

Topinambur, Kräuterseitlinge, Eigelb, Liebstöckel

Zutaten
3 kg Topinambur | 500 g Kräuterseitlinge | 6 Eier (Rassehühner, Hof Looren) | 200 g Miso | 200 g Sojasauce | 12 Bd. Liebstöckel | trockener Weisswein | Hühnerbrühe | Weissweinessig | Gelatine | Zitronenthymian | Zitrone

Mise en place
Topinambur waschen, 1 kg für Tag 3 im Kühler aufbewahren. Die Kräuterseitlinge falls nötig mit einem Pilzpinsel säubern und die kleinsten, etwa daumenkuppengrossen für Tag 1 zur Seite legen. Die grösseren für Tag 3 im Kühler auf Haushaltspapier und in einem unverschlossenen Gefäss aufbewahren. Rüstabfälle für die Topinamburconsommé zur Seite legen. Den Liebstöckel waschen, zupfen, in der Salatschleuder trocknen. Die Stiele aufbewahren.

Zubereitung
Tag 1 –
2 kg Topinambur in 2 mm dicke Scheiben schneiden und diese mit den Rüstabfällen der Kräuterseitlinge mit etwas Öl bei mittlerer Hitze karamellisieren, bis sie goldgelb bis hellbraun sind, zwei Zweige Zitronenthymian und den Abrieb einer halben Zitrone zugeben, mit je 2 dl Weisswein und Brühe ablöschen. Grosszügig mit Wasser auffüllen und zirka 2 Stunden bei niedriger Hitze ziehen lassen. Drei Blatt Gelatine in Eiswasser einweichen. Die kleinsten Kräuterseitlinge halbieren und auf der Schnittfläche braten, bis sie Farbe annehmen. Die angebratenen Pilze in eine noch warme «pickling liquid» (1 Teil Weissweinessig, 2 Teile Wasser, 2 % Salz, Liebstöckelstiele, einmal aufgestossen) geben und einwecken oder (kalt) vakuumieren. Die Topinamburbrühe abpassieren, die Zitronenzeste herauslesen, die Topinamburen auf ein Blech geben und bei 185 °C im Umluftofen dunkel rösten. Die eingeweichte Gelatine in der Topinamburbrühe auflösen. Sind die Topinamburen dunkelbraun, kommen sie zurück in die Brühe. Diese im Wasserbad abkühlen lassen und über Nacht einfrieren.

Tag 2 – Die gefrorene Topinamburbrühe aus dem Behältnis lösen, in ein Sieb mit feinem Passiertuch geben und über Nacht im Kühlschrank auftauen lassen. 2 Handvoll gezupften Liebstöckel im Dörrex bei niedriger Hitze trocknen. Mit dem Rest des Liebstöckels ein Öl herstellen: Im Thermomix die eineinhalbfache Menge geschmacksneutrales Sonnenblumen- oder Rapsöl zum Liebstöckel geben und alles für 7 Minuten bei 60 °C auf höchster Stufe mixen. Durch ein feines Fischtuch in eine eisgekühlte Schüssel abtropfen lassen. Die restlichen Topinamburen einzeln in Alufolie einwickeln. Vor dem Verschliessen etwas Salz und Butter zugeben. Bei 175 °C eine knappe Stunde backen, bis sie komplett weich sind. Die Topinambur über einer Schüssel auspacken, um alle Flüssigkeit aufzufangen, dann halbieren und das Fleisch mit einem Kaffeelöffel auskratzen, bis nur die Schale übrig ist. Diese im Dörrex trocknen. Das ausgelöste Topinamburfleisch im Mixer pürieren, mit wenig Butter und Hühnerglace verfeinern und durch ein Spitzsieb passieren. In einen Spritzbeutel oder eine «squeezy bottle» abfüllen und sofort im Eisbad kühlen. Gleiche Teile Miso und Sojasauce mischen und allenfalls mit 2 g Xanthan binden. Die Eigelbe vom Eiweiss trennen und Erstere in einem Behältnis in die Miso-Sojasauce-Mischung geben, sodass sie komplett bedeckt sind. Verschlossen im Kühlschrank für mindestens 24 Stunden salzen.

Tag 3 – Die übrigen Kräuterseitlinge in Julienne schneiden und in einem Sieb 20 Minuten salzen. Wenig Öl zugeben, vorsichtig vermengen und weit ausgebreitet im Ofen bei 150 °C ohne Ventilation goldgelb rösten. Das Topinamburpüree und die Topinamburconsommé (sollte nach dem Auftauen im Kühler röstbraun und glasklar sein) mindestens eine Stunde vor dem Anrichten zum Temperieren aus dem Kühler nehmen. Die Eigelbe aus der Beize heben, sorgfältig auf einem Küchenpapier abtropfen, zu einer samtigen Textur mixen, durch ein Sieb streichen und in einen Spritzbeutel oder eine «squeezy bottle» abfüllen. Das «cured» Eigelb sollte die Konsistenz von erkaltendem Wachs haben. Den getrockneten Liebstöckel in einer Moulinex pulverisieren und sehr fein absieben. Die getrocknete Topinamburschale im Öl (kurz vor dem Rauchpunkt) für wenige Sekunden frittieren, auf ein Haushaltspapier setzen, salzen und mit Liebstöckelpulver bestäuben.

Ente, Pastinake, Birne

Zutaten
2 Stk. Schweizer Entenbrust, gerupft und gesalzen | 20 Stk. Conference-Birnen | 1 Bd. Thymian | 1 Bd. Zitronenthymian | 2 Stk. Chili | 1 Zehe Knoblauch | 1 kg Pastinaken | 500 g Vollrahm | 50 g Butter | 100 g Hühnerbrühe | 100 g eingemachte Holunderblüten | 1 dl geröstete Hühnerglace

Mise en place
12 Conference-Birnen waschen und entsaften. Zirka 1 dl des Birnensafts zur Seite stellen, den Rest durch ein feinmaschiges Sieb passieren und einreduzieren. Die Pastinaken schälen und im Dampfkochtopf unter Beigabe von etwas heller Hühnerbrühe weichkochen.

Zubereitung
Mit dem einen Deziliter Birnensaft, den Chilis, etwas Knoblauch und Zitronenthymian einen würzigen Sud herstellen. 4 Birnen schälen und entkernen. Die halbierten Birnen mit dem Gewürzsud übergiessen und einwecken/vakuumieren.

4 weitere Birnen schälen, entkernen und in Brunoise schneiden. Auf dem Grill über Buchenholz räuchern und danach im Dörrex trocknen.

500 g der gekochten Pastinaken mit 500 g Rahm, 50 g Butter, 100 g heller Hühnerbrühe und 100 g ausgedrückten, eingemachten Holunderblüten pürieren. Das Püree durch ein Sieb streichen und in einen Siphon füllen. Mit zwei Patronen laden und warmstellen.

Die «gebeizten» Birnen aus dem Sud heben, abtropfen und in einer trockenen Gusseisenbratpfanne rundherum anschwärzen. In einen Behälter geben, salzen und mit frischem Thymian bedecken. Warmstellen.

Die Entenbrust in einer kalten Gusseisenbratpfanne auf der Hautseite braten. Sobald die Haut knusprig und goldgelb ist, wenden, frische Butter und einen Zweig Thymian dazugeben und unter stetigem Arrosieren die Entenbrust fertigbraten. Diese an einem warmen Ort mindestens 10 Minuten ruhen lassen.

Die geröstete Hühnerglace mit etwas Holunderblütenessig, Birnenreduktion und frischen Thymianblättern würzen.

Magenbrot, Sanddorn

Magenbrot und Glasur
500 g Ruchmehl | 250 g Rohzucker | 2 EL Backpulver | 2 EL Kakaopulver | 1 EL Birnenbrotgewürze | 1 EL Zimt | 1,5 dl Milch | 1,5 dl Wasser | 100 g Honig | 80 g Felchlin Maracaibo 65%, 72 h | 10 g Butter | 5 EL Wasser | 1 EL Kakaopulver | 250 g Staubzucker

Alle trockenen Zutaten vermischen. Milch, Wasser und Honig erwärmen. Milch-Wasser-Honig-Mischung zu den trockenen Zutaten geben und kurz kneten, in daumendicke Stangen rollen, bei 180 °C 15 Minuten backen, leicht auskühlen lassen und schneiden. Butter und Couverture auflösen. Alle Zutaten vermischen, das geschnittene Magenbrot in drei Teilen dazugeben und glasieren, auf einem Gitter abtropfen lassen, nach zirka 2 Stunden auf ein Blech absetzen und über Nacht stehen lassen.

Magenbrotmousse
150 g Milch | 30 g Zucker | 1 EL Birnenbrotgewürze | 70 g Eigelb | 2 Bl. Gelatine | 150 g Rahm

Milch, Zucker und Birnenbrot aufkochen, unter stetigem Rühren zum Eigelb und danach zurück in die Pfanne geben und zur Rose abkochen (82 °C). Im Eiswasser eingeweichte Gelatine auflösen, in die warme Masse geben und den Rahm aufschlagen. Milch-Eier-Masse auf einem Eisbad abkühlen. Den Rahm unterheben. Die Mousse in Formen von 8 cm Durchmesser abfüllen.

Choc Crumble und Honeycomb
100 g Zucker | 30 g Wasser | 200 g Felchlin Couverture 65%, 72 h | 200 g Zucker | 30 g Honig | 6 g Backpulver

Zucker und Wasser auf 152 °C erhitzen. Die Schokolade hinzugeben und auf hoher Stufe unter stetigem Rühren zirka 3 Minuten karamellisieren, bis sich feine Crumbles bilden. Zucker und Honig schmelzen, bis keine Kristalle mehr zu sehen sind, dabei darauf achten, dass der Zucker nicht zu dunkel wird. Das Backpulver dazufügen, kurz vermischen und dann sofort in ein mit Backpapier ausgekleidetes Geschirr geben.

Sanddorn und Sanddornsorbet
500 g Sanddorn | 60 g Zucker | 25 g Glukose | 0,5 Bl. Gelatine

Zucker und Sanddorn vermischen, 100% vakuumieren, 10 Minuten bei 80 °C pochieren. Zucker, Wasser und Glukose aufkochen. Gelatine im Eiswasser einweichen. Sanddorn und Zuckerlösung mixen, die Gelatine auflösen, alles passieren. Die Sorbetmasse in «squeezy bottle» abfüllen und in flüssigen Stickstoff tropfen lassen.



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