«Ein helles Lager reicht nicht mehr»
Herr und Frau Schweizer haben letztes Jahr markant weniger Bier konsumiert. Reto Preisig, Geschäftsführer der Brauerei Schützengarten, sagt, warum das so ist – und was er dagegen zu tun gedenkt.
Satt wird man in der bebauten Wüste allemal.
Masaharu Morimoto ist selbst da. Was nun alles andere als selbst verständlich ist, denn der aus Fernsehen und realer Fusion-Gastronomie bekannte Japaner verfügt über ein ganzes Imperium von Restaurants. Hawaii, New York, Mexiko City. Oder Doha. Also jene Hauptstadt, die sich binnen weniger Jahr zehnte vom Perlenfischerdorf zur Metropole entwickelt hat. So schnell, dass selbst die lizensierten Guides nicht mehr hinterherkommen. Hier, sagt die Touristenführerin, sei bis vor zwei Jahren nur Wüste gewesen. Und dort, ergänzt sie, entstehe gerade das allerriesigste Einkaufszentrum des ganzen Landes. Noch nicht fertig, aber bis zur Fussball-Weltmeisterschaft müsse alles parat sein. (Wird es, darauf kann man wetten.) Irrwitzig war das Tempo, in dem Katars Herrscher ihre Wüstenei entwickelten, immer schon. Aber nachdem Joseph Blatter vor ein paar Jahren die freudige Nachricht aus dem Umschlag gezogen hatte, steigerte sich alles ins Unermessliche. Nicht nur Stadien entstanden, auch Hotels, Einkaufszentren, Wohnblöcke. Nicht zu vergessen: Restaurants. Burger gibt es, Italienisches ist beliebt, und selbst in der grellsten Junihitze brausen Mofas durch die Strassen, um für rasche Auslieferung der Pizzen zu sorgen. Abkühlen können die, das steht fest, nicht so schnell.
Satt wird man in der bebauten Wüste allemal, doch an guten Restaurants herrscht Mangel. Zumal niemand sagen kann, was gut ist und was nicht. Beim Nachbarn in Dubai kann man nun, nachdem die erste Ausgabe des Guide Michelin erschienen ist, quasi offiziell nach dem Rechten sehen. In Doha muss man auf Mund-zu-Mund-Propaganda setzen – und die ist mit Vorsicht zu geniessen. Man solle in die B Lounge gehen, raunt man dem aus der Schweiz angereisten Rechercheur zu. Schön, also hin. Ein feines Restaurant im Ritz-Carlton, gleich am Meer. Hier wer den Berge an Sushi, Gyozas und andere Standards der asiatischen Küchen auf Platten gehäuft. Die Qualität ist gut, der Service herzlich, die Mengen sind unbeschreiblich. Viel zu servieren, viel zu essen, viel mitzunehmen sind die drei Grundregeln der katarischen Gastronomie. Aber B-Lounge-Essen kann man auch anderswo finden, selbst in der Schweiz, und dort wäre das Glas Weisswein sicher billiger.
Wer Wein trinkt in Doha, ist freilich selbst schuld. Die aus Zitrusfrüchten oder Granatäpfeln hergestellten Drinks ohne Alkohol sind so kalt und so frisch, dass man nichts vermisst. Dazu Mezze zu bestellen, die im gesamten arabischen Raum geliebten Vorspeisenvariationen, ist anzuraten; Hauptgänge kann man sich geflissentlich sparen. Unaufgefordert packen die Kellner später Säcke mit Baba Ganoush, Hummus, Brot und Salaten zum Mitnehmen. Aber ist das alles, was Doha kulinarisch zu bieten hat?
Also doch zu Morimoto ins Hotel Mondrian. Immer mal wieder komme er vor bei, sagt der freundliche Herr von fast 70 Jahren, mit den passenden kulinarischen Vorsichtsmassnahmen. «Im Flugzeug esse ich nie etwas.» Einmal angekommen, spreche er mit dem Team, setze seine Standards durch, lasse den einzelnen Restaurants aber auch Freiheiten. «In Doha sehe ich viel Potenzial», sagt Morimoto.
Muss ja auch, nach der WM, irgendwie weitergehen. Die Hotels sind vorhanden, das Tourismusmanagement weiss, dass ab dem 19. Dezember viele Betten mit Nichtfussballtouristen gefüllt werden müssen. Auch mit Gourmets. Morimoto hat für sie Sake ausgewählt, einen Chef ’s Table etabliert, die Cocktailauswahl ist nicht schlechter als in vergleichbaren Etablissements in den USA oder London. Dazu Garnelen, Hummer, Tajima Beef aus der japanischen Präfektur Hyogo und schicke Models, die auf der Facebook-Seite posieren. Ob das die Zukunft der katarischen Gastronomie ist? Kaliforniens Starkoch Wolfgang Puck verfügt über ein Outlet, Gordon Ramsay ist im noblen St. Regis untergebracht, wo der Blick noch mehr auf Wasser und Strände und weniger auf Schnellstrassen fällt als vom Mondrian aus. Essen kann man da bestimmt gut, und weilt der berühmteste Pöbler der Küche vor Ort, ist für Glamour-Factor gesorgt.
Aber ob das reicht, um kulinarische Identität zu schaffen? Vielleicht findet man selbige eher anderswo in Doha. Im Souq Waqif zum Beispiel, im Zentrum der alten Stadt, in dem die Kataris neben Gastarbeitern und Touristinnen sitzen, man ein Pfund feinste getrocknete Peperoni für umgerechnet zehn Franken kaufen kann und die Beizen angenehm rustikal aussehen. Im Viertel Musherib dagegen dürfte die Küche von morgen nicht zu finden sein. Der zentrale Platz des historischen, aber von Grund auf renovierten Quartiers wirkt am Mittag wie ausgestorben, und die Restaurants sind im doppelten Sinne so kühl, dass keine Stimmung aufkommt. An die Differenz zwischen knackigen 17 Grad drinnen und im Sommer deutlich über 40 draussen muss (und kann) man sich gewöhnen, an architektonische Beliebigkeit nicht.
Also auf ins Nationalmuseum, in dem sich Katars Vergangenheit zeigt, die Zukunft auch. Dass sie was tun müssen, bei den Frauenrechten, den Gastarbeiterrechten, den Menschenrechten, haben sie gemerkt; die Sheika, Katars First Lady, spricht im Video von Entwicklungen, die notwendig waren und seien. Über die Küche des Lan des erfährt man in den Ausstellungsräumen allerdings wenig. Halt, im Museumsshop liegt ein in Folie eingeschweisstes Kochbuch. Tastes of Qatar, umgerechnet fast 80 Franken.
Mit dem Koch zu sprechen gelingt auch im vierten Stock des Museums nicht, in dem das Restaurant Jiwan Katars Nationalstolz auf essbare Weise umsetzen soll. An diesem Mittag sind nur wenige Gäste in jenem luftigen, mit Dachterrasse aus gestatteten Lokal, für dessen Küche niemand Geringeres als Alain Ducasse verantwortlich zeichnet. Der neue Chef de Cuisine vor Ort, der Franzose Morgan Perrigaud, scheint noch nicht da zu sein, sein Vorgänger schon weg – und der Wild Snapper ist aus. Warum und wie man hier kocht, erführe man gern, und was den Unterschied zwischen der katarischen Küche ausmacht und zwischen der, wie sie in anderen Teilen der arabischen Halbinsel gepflegt wird. Doch dass man Speisen erklärt, dass der Koch zu den Gästen geht, hat keine Tradition in Katar.
Dass Speisen dermassen auf den Punkt gewürzt sind, wie das im Jiwan der Fall ist, allerdings auch nicht. Tatsächlich ist hier manches schon auf Ein-Stern-Niveau angesiedelt. Die Auberginen mit Joghurt und Arganöl sind so präzise abgeschmeckt, das Fladenbrot so fein mit Zitrone angereichert, das Labneh so animierend, dass man auf den ersten Bissen die Unterschiede zur Feld-, Wald- und Wüstenküche in Downtown Doha bemerkt. Safranreis zum Hammour, einer Barschart, ist eine Attraktion, weil perfekt gegart und mit hauchdünnen Scheiben frischer Kokosnuss serviert. Das Dessert aus Griess, Rahm und Nüssen wirkt eher libanesisch als katarisch, aber sind nicht auch viele Schweizer Nachspeisen von der französischen Küche geprägt? Schliesslich das weltbeste Baklava, Dattelkekse und Karak, ein mit Kardamom und Zucker verfeinerter Tee. Wein und Schnaps fehlen im Jiwan, ist ja kein Hotel. Da sind sie streng, die Katarer. Obwohl: Ein paar Restaurants gebe es mittlerweile, die eine Alkohollizenz erworben hätten, verrät der Guide. Offiziell spricht man nicht drüber. Noch nicht.