Wie relevant sind Onlinekommentare für Sie?
Ich lese sie aus Neugier. Ins Rating fliessen sie nicht mit ein.
Warum nicht?
Einerseits gehen Schätzungen seriöser Quellen davon aus, dass gut ein Drittel dieser Bewertungen gefälscht ist – erkaufte Lobhudeleien beispielsweise oder aber anonymisierte Kritik von Mitbewerbern, die ihren Konkurrenten schaden wollen. Zweitens kenne ich die Erwartungshaltung der Gäste nicht, die da kommentieren. Oft gehen die Meinungen so weit auseinander, dass man daraus nicht schlau wird. Hoteliers berichten mir zudem häufig, dass ihnen Gäste mit einem Verriss drohen, wenn sie kostenpflichtige Leistungen nicht gratis anbieten. Bewertungsportale haben sicherlich ihre Berechtigung, sind aber nur bedingt eine Orientierungshilfe.
Auf Ihre Liste schaffen es vor allem Luxushäuser. Wie beurteilen Sie die Zwei- und Drei-Sterne-Hotellerie in der Schweiz?
Ich ergänze das Rating der 125 Besten jeweils um 15 Trouvaillen, die einige formale Kriterien für die Liste nicht erfüllen, im Hinblick aufs Gästeerlebnis jedoch einzigartig sind. Auch in der Kategorie Nice Price hat es tolle Drei-Sterne-Hotels wie etwa das Chesa Randolina in Sils oder das Spitzhorn in Saanen. Solche Häuser sind ein schöner Beleg dafür, dass auch jenseits der Luxushotellerie eine erfreuliche Entwicklung stattfindet.
Dennoch wird in diesem Preissegment oft Österreich als Musterschüler angeführt und die Schweiz als Servicewüste gerügt.
Diese Behauptung kommt meist von Leuten, die seit 20 Jahren nicht mehr in der Schweiz Ferien gemacht haben. Der Österreich-Vergleich ist abgegriffen. Mit derlei Vorwürfen hat es heute nichts mehr auf sich. Hoteliers aus dem Engadin berichten mir zum Beispiel, dass sie immer mehr Schweizer Gäste zurückgewinnen, die früher nach Österreich oder ins Südtirol gingen. Auch die Preise haben sich angeglichen: Österreich ist teurer geworden, die Schweiz hingegen günstiger. Angestaubte Hotels, deren Leistung sich nur auf ein Bett sowie ein Frühstück beschränkt, sterben aus. So kann heute keiner überleben. Fakt ist auch, dass die Schweiz die bestausgebildeten Leute im Service hat, sowohl fachlich als auch im Hinblick auf ihre Mehrsprachigkeit. Das ist einzigartig.
Der Fachkräftemangel bleibt jedoch Dauerthema in der Branche.
Es tut sich aber auch einiges. Die Verbände leisten viel, um Nachwuchs für gastronomische Berufe zu begeistern. Es liegt jedoch vor allem an den Hoteliers und Gastronomen, diesen jungen Leuten Sorge zu tragen und ihnen klarzumachen, wie wichtig sie für den Betriebserfolg sind. Gerade der Service spielt in dieser Hinsicht eine Schlüsselrolle, das haben Beizer und Hoteliers früher nicht erkannt. Wenn diese Berufssparte im eigenen Betrieb keine Wertschätzung erfährt, ist es kein Wunder, wenn ihr Image auch nach aussen leidet.
Als ehemaliger Chefredaktor des Guide Bleu verfolgen Sie auch die Gastronomie aus nächster Nähe. Wie beurteilen Sie deren Entwicklung?
Sie ist ebenso erfreulich wie die der Schweizer Hotellerie. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl hat die Schweiz heute europaweit die höchste Dichte an Sterne-Restaurants. Es gab noch nie so viele gute junge Köche wie heute, und zwar nicht nur auf Punkte- und Sterne-Niveau. Sie sind die Zugpferde einer Veränderung, die die Schweiz zu einem kulinarischen Hotspot gemacht hat. Zum Erfolg dieser jungen Küchenchefs trägt bei, dass sie keine Scheuklappen haben.
Wie meinen Sie das?
Sie lassen sich nicht festnageln, sind offen. Grosse Erlebnisküche geht heute Hand in Hand mit raffiniert zubereiteter, bodenständiger Kost. Das Paradebeispiel dafür ist Andreas Caminada. Im Schloss Schauenstein zelebriert er eine phänomenale Drei-Sterne-Küche, ein paar Meter nebenan begeistert er die Gäste in der Casa Caminada mit Maluns und Capuns. Seine Ignivs liegen irgendwo dazwischen. Erfolg hat er mit allen Konzepten. Das zeigt: Alles ist möglich, wenn Qualität, Service und Ambiente stimmen.
Welchen Rat geben Sie Gastronomen?
Sucht aufgestellte Leute, die Freude an ihrem Job haben und sie auch weitergeben. Ein zuvorkommender Service ist das A und O für den Betriebserfolg, vorausgesetzt natürlich, dass auch die Küche stimmt. Übrigens darf man getrost davon absehen, diese mit Schlagwörtern wie «regional», «saisonal» oder «ehrlich» zu bewerben. Wer das noch erwähnen muss, weckt eher Misstrauen.