Mozzarella vom Mikro-Käser

In Kemptthal produziert Roberto De Matteis Spezialitäten aus der Heimat seiner Eltern: Mozzarella aus Kuhmilch, den man in Apulien Fior di latte nennt, weil er keine Büffelmilch enthält, zum Beispiel. Aber auch weniger bekannte Delikatessen aus der Familie der Filata-Käse.
Text: Dominik Flammer – Fotos: Jürg Waldmeier
Veröffentlicht: 12.10.2021 | Aus: Salz & Pfeffer 5/2021

«Selber tat ich die Idee anfänglich als Spinnerei ab.»

Sechs oder sieben sei er gewesen, als er das erste Mal bewusst einen Nodino aus der nahegelegenen Käserei auf die Gabel gespiesst und dann Schicht für Schicht von dem zart-fasrigen und sämigen Käslein abgebissen habe. Dieses prägende Erlebnis wurde für den Winterthurer Roberto De Matteis während der Ferien in der elterlichen Heimat Apulien zum Ritual. «Kaum waren wir angekommen, wollte ich schon hinüber zur Käserei und mir die Nodini holen, erinnert er sich gern an diese Zeit.

30 Jahre später verbringt De Matteis mit Freunden einige Tage auf einem Agriturismo in der Nähe von Brindisi und entdeckt in der Nachbarschaft eine Käserei mit einem Mozzarellaio – wie man den Käser nennt, der Mozzarella, Nodini, Fior di latte und verschiedene andere sogenannte Filata-Käse herstellt. Fasziniert vom Handwerk, beginnt im Winterthurer die Idee zu reifen, die er einige Jahre später mit seiner Idea Salentina AG in der ehemaligen Maggi-Fabrik im zürcherischen Kemptthal schliesslich umsetzt. Der versierte Versicherungs-Mathematiker verabschiedet sich von seiner erfolgreichen Karriere bei einer Rückversicherung und wagt den Sprung ins kalte Wasser – oder quasi in die kalte Milch. «Selber tat ich die Idee anfänglich als Spinnerei ab, wusste ich doch weder über die Milch noch über das Käsereihandwerk auch nur das Geringste,» erzählt er heute. «Ich musste einiges an Lehrgeld bezahlen.»

Das hat sich allerdings gelohnt: Die Käsespezialitäten von De Matteis gehören in der Schweiz inzwischen zur Extraklasse. Und zu den raren Delikatessen, die nichts mehr sind als Häppchen in einem Markt, in dem trotz grosser Käsenamen wie Emmentaler, Greyerzer und Sbrinz längst mozzarella-ähnliche Industriekäse die Spitze in der Produktion besetzen. Rund sechs Prozent der gesamten schweizerischen Milch wurde 2019 zu Mozzarella verarbeitet, was einer Menge von rund 200 000 Tonnen entspricht. «Mit den 1200 Litern Milch, die wir hier in der Latterìa della valle Kempt wöchentlich verarbeiten, sind wir wirklich nur eine Mikro-Käserei», so De Matteis. Daran werde sich auch künftig wenig ändern: «Wenn ich statt zweimal in der Woche vier- oder fünfmal käsen würde, ginge die Freude am schönen Handwerk verloren.» Denn was De Matteis in der stetig dampfenden Produktionsstätte leistet, ist Knochenarbeit, die er längst nicht mehr alleine bewältigen kann. Inzwischen beschäftigt er drei Mitarbeiter. «Sie sind wesentlich am Erfolg beteiligt», so De Matteis.

Die aus Apulien stammenden Käsesorten, die in der Idea Salentina entstehen, gehören (wie der Scamorza, der Provolone oder der zypriotische Grillkäse Halloumi) zur Filata-Familie. Ihr Bruch wird mit heissem Wasser abgebrüht, bevor er in langen Strängen kraftvoll wiederholt ausgezogen wird, bis er über die richtige Konsistenz verfügt. Bis De Matteis mit seinen Käsen einigermassen zufrieden war, hatte er lange getüftelt, an den Strängen gezogen und Verfahren überprüft. Eins der Geheimnisse für seinen Erfolg liegt sicher auch in der Milch, die er verwendet. Ein stattlicher Anteil davon stammt von Jersey-Kühen eines befreundeten Bauern. Sie ist weit fetthaltiger als jene von üblichen Milchkühen.

Als erfahrener Verkäufer, der 15 Jahre international unterwegs war, um komplizierte Finanzprodukte an den Kunden zu bringen, bot De Matteis seine Käse zuerst einer kleinen Klientel auf dem Wochenmarkt in Winterthur an. «Der Markt ist die einfachste Plattform, auf der man Erfahrungen sammeln und die Rückmeldungen umgehend in die Produktion einfliessen lassen kann», begründet er. Und schiebt nach, dass er diese Interaktion brauche. «Ich bin alles andere als ein stiller Schaffer.»

Doch auch der Handel hat den begnadetenen Mozzarellaio entdeckt – wenn auch überwiegend im Grossraum Zürich. «Viel weiter werde ich kaum je liefern, dafür sind meine Mengen schlicht zu klein.» Zu De Matteis’ Angebot gehören heute auch Mozzarella-Zöpfe, geräucherter Mozzarella und ein sämiger, mit Milch angereicherter Molken-Ricotta. Sein seltenstes Produkt ist aber sicher die Burrata, die er vorwiegend auf dem Markt anbietet, da er aufgrund des grossen Arbeitsaufwandes wöchentlich nur einige Dutzend der sämigen Käsekugeln herstellt. Wer also in den Genuss dieser Spezialität kommen möchte, muss früh aufstehen: Die Burrata ist im Verlauf des Marktmorgens in der Regel ausverkauft. Alternativ bietet De Matteis auch ein Mozzarella-Seminar oder Schaukäserei-Events an.

Idea Salentina AG
Kemptpark 32/34, 8310 Kemptthal
079 608 24 98
ideasalentina.ch

Kleines Lexikon der apulischen Filata-Käse

Mozzarella stammt eigentlich hauptsächlich aus der Gegend rund um Neapel und der Region Kampanien sowie dem Süden der Region Latium. Er wird ursprünglich vor allem aus der in diesen Regionen verbreiteten Milch der Wasserbüffel hergestellt – oder aus der Milch des Hausrinds, oft auch als Gemisch der beiden Milcharten.

Fior di latte ist eng verwandt mit dem Mozzarella, wird aber ausschliesslich aus Kuhmilch hergestellt, so wie die Käse aus der Küche von Roberto De Matteis. Idea Salentina verwendet einen Anteil an Milch von Jersey-Kühen, die einen höheren Fettgehalt aufweist als die Milch heimischer Kuhrassen.

Stracciatella erhielt ihren Namen vom Verb stracciare, was so viel heisst wie zerfetzen oder zerreissen. Hergestellt wird Stracciatella aus handgezupften Mozzarella-Fasern, die mit Rahm vermischt werden. Sie wird entweder in Schalen angeboten, dient aber auch als Füllung für die bekanntere Burrata.

Burrata kommt ursprünglich aus der Region von Andria in Nord-Apulien und besteht aus einem Mozzarella-Mantel, der mit rahmigen Stracciatella-Fäden gefüllt wird. Die Burrata ist ein relativ junger Käse, der erst 1956 entstanden ist.

Nodini (zu Deutsch: kleine Knoten) nennen sich die typischen Filata-Käslein aus Apulien. Man erkennt sie an den feinen und gleichgerichteten Fasern, die allen von Hand hergestellten Filata-Käsen eigen sind.

Treccia heisst auf deutsch Zopf und ist nur in Spezialitätengeschäften erhältlich. In Italien wird die Treccia zum Teil scheibenweise verkauft. Bei Idea Salentina gibt es die bis zu zwei Kilogramm schweren Mozzarella-Zöpfe auf Bestellung (auch in geräuchter Form).



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