Der junge Mann wuchs in einem Dorf in Eritrea auf, zwei Stunden Fussmarsch vom nächsten Telefonanschluss entfernt. Bis vor sieben Jahren lebte er da, bestritt mit Mutter und Geschwistern den Lebensunterhalt in der Landwirtschaft. Den Vater hatte das gleiche Schicksal ereilt wie viele seiner Landsmänner: eine Militärpflicht von unabsehbarem Ende – zu einem Sold, der fürs Überleben nicht ausreicht. Der Sohn wollte den Fängen der Diktatur entgehen, der Gewalt, der Aussicht, für immer ein Leben in Armut zu fristen. So brach er, 15 Jahre alt, zu Fuss in Richtung Äthiopien auf, ohne der Mutter Bescheid zu sagen, die ihn sonst aufgehalten hätte. Die Reise führte Teweldemedhin weiter in den Sudan, durch die Sahara nach Libyen, dann übers Mittelmeer nach Italien. Nicht alle seine Weggefährten überlebten die Flucht, er selbst hatte Glück.
In der Schweiz wurde Teweldemedhin als unbegleiteter jugendlicher Asylsuchender vorläufig aufgenommen. «Mit 15 musste ich lernen, mit dem Verkehr, mit Handy und PC umzugehen», erinnert er sich. «Es war wie in einer anderen Welt.» Tewelde medhin begann, Deutsch zu lernen. Bald beherrschte er, der nur vier Jahre Schule absolviert hat, die Sprache gut genug, um ein Brückenangebot der Caritas wahrzunehmen. In dessen Rahmen erweiterte er seine Schulbildung, schnupperte in verschiedenen Berufen, absolvierte ein Praktikum in der Pflege. Dann reifte sein Plan: «Ich hatte schon immer gerne gekocht. Irgendwann dachte ich, ich könnte mein Hobby doch zum Beruf machen.»
Jetzt ist Teweldemedhin auf bestem Weg dahin. Seine Vorgesetzten fördern integrative Ausbildungsmodelle wie seines, weil sie dem Fachkräftemangel in der Branche entgegenwirken wollen. «Es gibt aber noch mehr Gründe, über den Tellerrand hinauszublicken und sich in der Berufsbildung nicht einfach am Standard-Lebenslauf zu orientieren», sagt dazu Nussbaum, der in der Vergangenheit auch Lernende mit Lernschwierigkeiten oder psychischen Problemen ausgebildet hat. «Jugendliche, die in ihrem jungen Leben schon so manche Herausforderung meistern mussten, zeigen im Beruf oft unglaublich viel Engagement, wenn wir ihnen die Chance dazu geben.» Teweldemedhin, findet dessen Ausbildner, sei das beste Beispiel dafür: «Da ist so viel Motivation, so viel Wille.»
Aber sind integrative Ausbildungen, wie sie der junge Eritreer in Luzern durchläuft, für den Lehrbetrieb nicht mit erheblichem zeitlichem Mehraufwand verbunden? «Verglichen damit, was Betriebe zu meiner Lehrzeit für Lernende aufwendeten, auf jeden Fall», sagt Nussbaum. «Aber das sollten wir uns auch nicht zum Vorbild nehmen, nicht umsonst sind unserer Branche die Leute davongelaufen. Wer talentierte junge Berufsleute gewinnen und sie langfristig halten will, muss Zeit in sie investieren – ganz egal, welchen Hintergrund sie mitbringen.»