
«Wo es guten Kaffee gibt, wird in der Regel auch ausgebildet.»
Wenn das Kapselsystem daheim den aromatischeren Kaffee macht als der Wirt im Café um die Ecke und wenn der weit gereiste Gast über Provenienzen, Röstgrad und Extraktionsmethoden besser Bescheid weiss, nach Filterkaffee schreit oder seinen Espresso mit klaren Vorgaben ordert, ja, dann hat der Gastronom ein Problem. Eins allerdings, dem er sich stellen kann, indem er sich und seine Mitarbeiter in der Kaffeezubereitung schulen lässt. «Denn wo es guten Kaffee gibt, wird in der Regel auch ausgebildet», sagt Benjamin Hohlmann. Der 33-Jährige ist Geschäftsführer des Gastrobetriebs Unternehmen Mitte in Basel, Mitbegründer der Kaffeemacher und Mitglied des Schweizer Vorstands des europäischen Verbands für Spezialitätenkaffees. Er muss es also wissen. «Guter Kaffee passiert nicht von selbst. Es braucht jemanden, der weiss, wie es funktioniert: den Barista.»
Der Begriff Barista ist eine italienische Wortschöpfung für jene Person, die in einer Espressobar oder in einem Café die Zubereitung des Kaffees verantwortet. Geschützt ist die Bezeichnung nicht und selbst unter Specialty-Coffee-Freaks ist die Diskussion, wie ein (guter) Barista zu definieren sei, heiss. Klar ist: Die Zeiten, in denen der Bartresen ein blosses Tummelfeld von mässig motivierten Aus- und Quereinsteigern war, sind tendenziell vorbei, und immer öfter verwandeln junge Menschen ihre Leidenschaft für guten Kaffee in eine langfristige berufliche Perspektive.
«Latte Art macht noch keinen Barista», sagt Shem Leupin zum Thema trocken. Der Barista-Schweizermeister 2013 röstet für Stoll Kaffee in Zürich und hat gerade ein eigenes Café eröffnet. Es trägt den so simplen wie pointierten Namen Coffee. Leupin und sein Geschäftspartner Thomas Leuenberger servieren auf 23,5 Quadratmetern Kaffee, wie er ihrer Meinung nach getrunken gehört. «Wir setzen unseren Qualitätsanspruch um», sagt der 34-Jährige, «nicht zwingend jenen des Konsumenten, der in der Regel viel Auswahl hat, aber eben kein Fachmann ist.» Leupin erzählt von seinen Anfängen, die exemplarisch für ein weiter entwickeltes Verständnis des Berufs stehen. 2006 heuerte er in seiner zweiten Heimat Australien in einer gut laufenden Bar an. «Der Barista war in einer stolzen Position», erinnert er sich, «an die Kaffeemaschine durfte nicht jeder ran – man musste eine Schulung machen und einen Test bestehen.» Nach und nach bekam der Neuling schwierigere Schichten. «Dieses Heraufarbeiten verleiht der Position Relevanz.»
Hierzulande schaut die Lage (noch) etwas anders aus. «Echte Baristas mit dem ganzen Spezialwissen rund um Kaffee fehlen in der Schweiz schon noch», sagt Sandra-Daniela Stucki, die in der Rösterei Kaffee und Bar von Blasercafé in Bern hinter dem Tresen und an der Rösttrommel steht. Sie hegt aber Hoffnung, dass sich der Stellenwert gerade in der gehobenen Gastronomie verändern wird: «Ich wünsche mir», sagt die 31-Jährige, «dass der Barista wie der Sommelier zum Gast geht und das Getränk erläutert.» Wie viele Einsteiger kam Stucki über Latte Art zum Spezialitätenkaffee. «Dass man so etwas Schönes aus Kaffee machen kann, faszinierte mich.» Was sie aber richtig in Fahrt brachte (und auch damit ist sie in der Szene in bester Gesellschaft), war das Wettbewerbswesen. Als gelernte Servicefachfrau traf Stucki im Hotel Berchtold in Burgdorf auf die Barista-Legende Giovanni Meola, der sie in die Welt des Kaffees einführte und ruckzuck an die Barista-Schweizermeisterschaft 2009 schleppte. Stucki siegte in der Kategorie Coffee in Good Spirits, genau wie 2010 und 2011. «Dass ich gut war, spornte mich schon an», erzählt die Langnauerin. Mit der Zeit rückte das Produkt immer stärker ins Zentrum ihres Interesses. Stucki reiste nach Ecuador, um auf der Finca Maputo von Verena Blaser mehr über Kaffee zu lernen und mitzuhelfen, wobei sie beim Ernten grandios am Tempo der lokalen Arbeiter scheiterte. Pünktlich zur Eröffnung der Rösterei Kaffee und Bar kehrte sie in die Heimat zurück. Seit zwei Jahren nun versteht sie sich hauptberuflich als Barista. Vor kurzem allerdings machte sie den ersten Schritt aus der Bar hinaus und stieg ins Rösten ein. Künftig, sagt Stucki, wolle sie sich noch fokussierter mit Kaffee beschäftigen – weniger hinter dem Tresen, mehr beim Produkt.