Sie haben im Mai in Biel das Restaurant Du Bourg übernommen. Wie wurden Sie empfangen?
Manuel Zaugg: Herzlich und mit Freude. Wir sind richtig angekommen an diesem wunderbaren Ort in der Altstadt. Die Bielerinnen und Bieler sind wirklich herzlich und zeigen auch ihre Freude an einem feinen Restaurant vor Ort. Vielleicht liegt das auch daran, dass es davon hier nicht so viele gibt wie beispielsweise in Bern. Auch online haben wir bisher fast nur positive Rückmeldungen erhalten. Es ist halt wirklich unser Privileg, mit vier Personen zwölf Gäste zu umsorgen. Bei unseren wenigen Tischen kann man sich wichtige Dinge des Gastes merken und auch mal zwei Minuten mit ihm schwatzen. Diese Zeit, die wir uns nehmen, wird unglaublich geschätzt.
Kann sich das denn so überhaupt rechnen?
Hätten wir nicht so viel Liebe zum Kochen, würden wir das nicht tun. Meinen Stundenlohn rechne ich nie aus, solche Gedanken muss man zur Seite schieben. Der Lohn sind die Komplimente der Gäste. Aber klar, am Ende des Monats müssen auch wir Miete und Löhne bezahlen können.
Beschreiben Sie das Du Bourg für Leute, die es nicht kennen!
Das Restaurant liegt an einem grossen Platz in einem denkmalgeschützten Haus. Mal abgesehen von der beschränkten Infrastruktur der kleinen Küche, haben wir hier ein perfektes Restaurant. Den Apéro veranstalten wir im Gewölbekeller und wechseln anschliessend ins Erdgeschoss. Gäste melden uns zurück, dass es wohlig-warm ist und sie sich bei uns daheim fühlen. Selbst wenn der Gastraum voll ist, hat man einen guten Abstand zu den übrigen Gästen. Und ich bin überzeugt, dass der Ort auch mitbestimmt, welches Menü man kocht und welches Geschirr man auswählt.
Ist Ihnen das auch wichtig, wenn Sie irgendwo privat auswärts essen gehen?
Absolut, überhaupt alles Visuelle. Darüber hinaus bin ich vielleicht aber ein atypischer Koch, denn für mich persönlich ist der Service wichtiger als die Küche, wenn ich auswärts essen gehe. Ich weiss oft, dass es nicht das beste Esserlebnis wird, aber wenn der Service motiviert ist, mag ich das sehr. Früher war ich viel kritischer, aber meine Freundin hat mir einmal ganz deutlich gesagt: «Mit dir essen gehen ist anstrengend!» Dies, weil ich mal hier etwas Salz vermisst, mal dort die Sauce bemängelt habe. Solche Kritiken habe ich mir abgewöhnt und sage nicht mehr ständig meine Meinung. Ich bin zur Haltung gekommen: Man muss nicht immer alles hinterfragen.
Haben Ihre Gerichte eine visuelle Linie?
Wir schicken klare, simplistisch-detaillierte Gerichte. Ich mag es nicht, wenn tausend Komponenten auf den Tellern sind. Die Sachen müssen von der Form her zusammenpassen. Und ich schicke nach dem Credo: Weniger ist mehr. Klare Formen und genaue Schnittarten sagen mir sehr zu.
Was zieht sich durchs ganze Menü?
Ich liebe Säure. In all meinen Gerichten ist eine säuerliche Komponente mit drin. Bei der Kohlrabi-Rose sind das beispielsweise verschiedene Essigsorten. Das macht unsere Küche leicht und erfrischend, was den meisten schmeckt. Natürlich nicht allen: Als kürzlich eine schwangere Frau hier war, gab sie uns als Feedback, dass es für sie viel zu sauer sei. Anscheinend sind die Geschmacksknospen bei Schwangeren in ständiger Bewegung und viel sensibler.
Gibt es für Sie einen Moment, in dem ein Teller tatsächlich «vollendet» ist?
Das kommt nur sehr selten vor. Bei manchen Gängen merken wir, auch wenn wir sie wochenlang geschickt haben, dass bis zum Schluss doch noch etwas gefehlt hat. Und viele Komponenten verändern wir ständig, weil sie zu aufwendig sind. Kürzlich haben wir zu einem Zitronentörtchen Nashibirnen in elf perfekte Juliennes geschnitten und sie als akkuraten Fächer angerichtet. Das sieht nur dann schön aus, wenn sie haargenau gelegt sind. Jetzt stechen wir die Birne rund aus und sind deshalb viel schneller und akkurater. Das Gute in einem so kleinen Lokal sind die kurzen Wege, wenn man etwas ändern will. In einem grossen Team würde das eine Woche dauern, wir ändern es einfach mal schnell. So agil sind wir. Ich mag neue Dinge, doch würde ich jede Woche Gerichte wechseln, kämen wir nie auf das Qualitätsniveau, hinter dem wir stehen können.
Auch bei der Arbeit scheinen Sie pflegeleicht zu sein, wie ich von Ihren Teamkollegen höre. Was ist da dran?
Während unsere Gäste vorne sechs bis sieben Gänge geniessen, gibt es bei uns in der Küche oft einfach nur Landjäger. Oder wir tunken Brot in die übrig gebliebene Beurre blanc. Natürlich essen wir auch was Anständiges, am Nachmittag gibt's feines Personalessen, das meistens mein Souschef Finn zubereitet. Aber gegen 19 Uhr meldet sich der Hunger dann wieder. Und nachdem wir unseren Gästen den Hauptgang serviert haben, lieben wir es, Landjäger zu essen. Und um 1 Uhr morgens gibt's dann noch die zweite Runde Landjäger, dieses Mal aber daheim. Landjäger ist das Essen von uns Küchen-Champions.
Wie sehr verändert Instagram Ihr Schaffen?
Schwierige Frage. Es gibt Leute, die das Kochen als Kunst betrachten. Bei manchen steht das Handwerk nicht im Vordergrund, sondern alles dreht sich ums Visuelle. Gerade wegen Instagram wird unser Schaffen immer mehr ins Rampenlicht und damit ins Kunstlicht gerückt. Für mich ist es aber pures Handwerk.
