17.03.2025

Fermentation ist der Schlüssel

Text: Nicole Klauss
Am diesjährigen Gourmet Festival St. Moritz standen erstmals so genannte Proxys im Fokus. So nennt man Produkte einer neuen Getränkekategorie, hergestellt mit Essig, Kombucha, Kwass oder fermentierten Säften als Basis.
Nicolas Declouet und Caroline Baerten aus dem Restaurant Hummus & Hortense in Brüssel (Foto: Wim Demessemaekers)
Humusxhortense 072 Copyrights Wim Demessemaekers Wim Demessemaekers 6

St. Moritz und das St. Moritz Gourmet Festival stehen traditionell für Champagner, Wein, Whiskey und Zigarren – alkoholfreie Getränke spielten bisher eine untergeordnete Rolle. Umso bemerkenswerter ist, dass das diesjährige Festival unter dem Motto «New Culinary Lifestyle» mit zwei besonderen Programmpunkten neue Akzente setzt: einer Masterclass zur Fermentation mit Fokus auf niedrigalkoholische und alkoholfreie Getränke sowie einer alkoholfreien Speisebegleitung beim Dinner von Caroline Baerten und Nicolas Declouet aus dem Restaurant Hummus & Hortense in Brüssel.

Erstmals in der Festivalgeschichte stehen damit Proxys im Fokus, Produkte einer neuen Getränkekategorie, hergestellt mit Essig, Kombucha, Kwass oder fermentierten Säften als Basis. Aromatisiert werden sie mit Gewürzen, Kräutern, Tees, Hölzern oder Tannennadeln – und -zapfen. Proxys sind selten süß, hoch aromatisch und bieten eine komplexe Alternative zu Wein mit Tanninen, Säure, Bitternoten und Süße und fast ganz ohne Alkohol.

Fermentation ist eine uralte Methode zur Konservierung und Haltbarmachung von Lebensmitteln, die schon in der Antike für Bier, Wein oder asiatische Produkte wie Sojasauce, Miso und Kimchi genutzt wurde. Heute erlebt sie eine Renaissance, sowohl wegen gesundheitlicher Vorteile als auch als kreative Technik in der modernen Gastronomie.

Die Masterclass «Fermentation» im Hotel Kulm wurde von Smith & Smith aus Zürich organisiert und von Andrin Willi, Co-Präsident von Food Zürich, moderiert. Zu Gast waren drei Produzenten fermentierter Getränke: Winzer Emilio Zierock (Azienda Agricola Foradori, Trentino-Südtirol), Maddalena Zanoni (Start-up Feral, Südtirol) und Murray Paterson (Muri, Kopenhagen).

Das Line-up umfasste den «Granato», ein klassischer Rotwein mit 13 Volumenprozent, «Koji Rice» (mit Aspergillus Orizae fermentierter Reis, Volumenprozent) und «Feral No.3», ein alkoholfreies Getränk aus fermentierten Randen, schwarzem Pfeffer und Thymian.
Emilio Zierock führt mit seiner Familie das biodynamische Weingut Foradori, das auch Käse und Gemüse produziert. Die Reben wachsen in Polykultur, und die hofeigenen Kühe liefern Milch für Käse. Der «Granato» aus der regionalen Teroldego-Trauben bietet Aromen von Pflaume, Schwarzkirsche, Blaubeere und Sauerkirsche.

Murray Paterson, ursprünglich aus der Finanzbranche, fand seine Berufung in der Fermentation und gründete Muri 2020, um den «No & Low»-Markt zu bereichern. Er brachte Fermentationsexperten wie Ioakeim Goulidis (ehemals Noma) ins Team. «Koji Rice Series 1» zeigt die Komplexität der Koji-Fermentation mit Aromen von Mahleb (Kirschkern), Lavendelkefir und über Buchenholz geräuchertem Lavendel.

Hummus Krackers, Restaurant Hummus & Hortense (Foto: Kris Vlegels)
Hummus Krackers, Restaurant Hummus & Hortense (Foto: Kris Vlegels)
Komposition aus dem Restaurant Hummus & Hortense
Komposition aus dem Restaurant Hummus & Hortense

Maddalena Zanoni, Mitgründerin von Feral, kehrte nach einer internationalen Karriere ins Trentino zurück, um fermentierte Getränke zu entwickeln. «Feral No.3», mit pfeffrig-erdigen Noten kombiniert konzentrierten Saft wilder Blaubeeren und Randen mit schwarzem Pfeffer, Thymian, Eiche und Chili.

Das Abendessen im Hotel Kronenhof brachte die kreative Küche des  Hummus X Hortense nach Pontrsin: Caroline Baertens fermentierte Getränke begleiteten das vegetarische Menü von Declouet. Serviert wurden unter anderem Kurkumabeer aus der Schale der im Menü verwendeten Kurkumawurzel, Oolong aus Himbeerblättern mit Kombucha und Verjus, sowie und ein Getränk aus französischem Verjus, Apfelessig, Kombucha, Walnussbitter und Kornellkirschen. Ihr Restaurant arbeitet streng nach dem «No Waste»-Prinzip – alles wird verwertet, von Stielen über Blätter bis hin zu Rinde und Kernen.

Das Festival zeigte eindrucksvoll die Vielfalt fermentierter Getränke. Emilio Zierock bleibt zwar vorerst beim Wein, sieht aber die wachsende Bedeutung von «No & Low». Maddalena Zanoni und Murray Paterson experimentieren weiter mit innovativen Aromen. Paterson bringt es auf den Punkt: "Das Beste an alkoholfreien Getränken? Es gibt keine Regeln!"

Fazit: Alkoholfrei ist gekommen, um zu bleiben – und die Fermentation ist der Schlüssel dazu.

stmoritz-gourmetfestival.ch