Angezapft

Bitte ein Pils!

Carole Groeflin

Gross war meine Freude, als ich letzthin in einem Badener Brewpub ganz unverfroren ein Schweizer Pils bestellen konnte. Es war höchste Zeit, dass bei Gluscht auf ein solches Bier nicht mehr nach einem «Spezli» gebeten werden muss. Bier, das nach Pilsener Art gebraut wird, musste hierzulande bislang nämlich als Spezialbier vertrieben werden. Ein Vertrag mit der tschechischen Republik von 1927 verunmöglichte es den Brauereien in der Schweiz, hier den Namen Pils oder Pilsener zu verwenden.

Im Jahr 2017 hatte unsere Gesellschaft zur Förderung der Bierkultur der damaligen Bundesrätin Simonetta Sommaruga in diesem Zusammenhang sogar eine Zwangsmitgliedschaft auf­ erlegt: Sie war nicht auf die Forderung von Nationalrat Alois Gmür, seines Zeichens Braumeister und Teilhaber der Einsiedler Brauerei Rosengarten, eingegangen, der forderte, dass der Staats­ vertrag mit Tschechien annulliert gehöre.

Ende 2022 wurde nun der Pilsener Schutzstatus endlich auf­gehoben. Der Schweizer Brauereiverband (SBV) informierte im März dieses Jahres darüber. In seiner Mitteilung merkte der Verband aber auch an, dass das einst aus der Not entstandene Spezialbier nicht einfach nur ein Synonym für Pils sei. Die Bier­stile Schweizer Spezial hell und Schweizer Spezial dunkel bilde­ten unterdessen eigenständige Bierstile.

Als Pils wird ein hopfenbetontes, untergäriges Bier bezeichnet. Namensgeberin ist die böhmische Stadt Pilsen (heute in Tsche­chien). Das Spezialbier in der Schweiz wurde zwar ursprünglich als Alternative dazu entwickelt, mit den Jahren änderte sich sein Wesen allerdings. Die heutigen beiden Sorten unterscheiden sich gemäss Recherchen des Brauereiverbands analytisch und geschmacklich vom Original.

Die Gemeinsamkeiten des Spezial hell und des Pils sind die unter­gärige Braumethode, die helle Farbe und der ähnliche Alko­holgehalt um fünf Volumenprozent. Auch beim Pils gibt es zwei unterschiedliche Typen: deutsches Pils und böhmisches Pils. Verglichen mit dem deutschen Pils, ist das schweizerische Spezial hell weniger bitter, dafür etwas dunkler und vollmundiger. Das böhmische Pils ist süsslicher als das hiesige Pendant und hat eine buttrige Note. Aus dem Raster fällt das Spezial dunkel: Es ist eine helvetische Eigenheit, da es sonst nirgends ein dunkles Pils als Bierstil gibt.

Der SBV würdigt in seiner Bierprämierung, dem Swiss Beer Award, den Schweizer Erfindergeist und behält die Kategorien Schweizer Spezial hell und Schweizer Spezial dunkel bei. Aller­dings kommt neu die Kategorie Pils hinzu. Wording hin oder her: Ich freue mich, ist das Schweizer Brauhandwerk nun offiziell um einen Bierstil reicher geworden.

Carole Gröflin

Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt
Ausgabe: Salz & Pfeffer 4/2023 / Datum: 29.08.2023