Ein Konzept fürs Kleinformat
Für Menschen, die wenig oder keinen Alkohol trinken, sind alkoholfreie Destillate fast immer eine gute Idee: Mit ihnen können Gastgeberinnen gute, erwachsene alkoholfreie Drinks anbieten, jenseits von Virgin Coladas und Shirley Temples. Die Vertreter der neuen Getränkekategorie sind seit 2016 auf dem Markt. Ben Branson, der Gründer von Seedlip, ist der Prinz, der den Trend wachküsste. Einzig für Menschen, die mal eher mehr tranken und darum nun nichts mehr trinken, sind alkoholfreie Destillate schwierig: Sie erinnern im Geschmack deutlich an die alkoholischen Versionen – und das ist nicht immer gut.
Aber was ist ein alkoholfreies Destillat eigentlich? Viele Produzenten arbeiten mit dem Begriff non-alcoholic spirit. Rein rechtlich ist das nicht korrekt, denn Spirituosen sind sie per Definition eben nicht: Die enthalten mindestens 15 Volumenprozent Alkohol. Im Prinzip handelt es sich um Hydrolate, die mithilfe der Wasserdampfdestillation mit Botanicals gewonnen werden. Aber weil sie im Aussehen, Aroma und Flaschendesign eine klare Ähnlichkeit zum alkoholischen Äquivalent aufweisen, spricht man der Einfachheit halber von alkoholfreien Spirituosen.
Die grösste Hürde ist der direkte Vergleich, denn natürlich können alkoholfreie Destillate nicht wie die alkoholischen Verwandten schmecken: Alkohol sorgt für einen adstringierenden Effekt im Mund, bringt Volumen ins Getränk und dient als Geschmacksträger. Einige Produzentinnen verwenden Chiliextrakte: Das enthaltene Capsaicin ist ein Alkaloid, das einen Hitze- und Schärfe- reiz auf bestimmte Rezeptoren ausübt. Andere nutzen Fuselstoffe, die in der Nase Alkoholisches imitieren. Und wieder andere arbeiten mit Kaltauszügen, ähnlich der Typagen, die mit Weindestillaten aus getoasteten Eichenholzchips, grünen Walnüssen, (gerösteten) Mandelschalen oder getrockneten Pflaumen gewonnen werden. Oder mit Bitternoten, die den adstringierenden Effekt im Mund bewirken.
Die Abwesenheit von Alkohol ist ein Dilemma. Während eine Spirituose, einmal geöffnet, nach längerer Zeit vielleicht etwas an Aroma verliert, entschwindet dieses alkoholfreien Destillaten, hat man die Flasche aufgemacht, nach wenigen Wochen ganz. Es fehlt der Alkohol als Konservierungsstoff. Also enthalten einige Produkte maximal 0,5 Volumenprozent Alkohol, womit sie noch als alkoholfrei durchgehen, oder aber es werden Konservierungsstoffe zugesetzt. Kommt hinzu: Alkoholfreie Spirituosen werden gern in Fünf-Deziliter-Flaschen zu einem Preis von rund 30 Franken angeboten. Die üppig ausgestattete alkoholfreie (Home-)Bar braucht langfristig also ein üppiges Budget. Abhilfe schaffen könnten hier Vakuum-Weinverschlüsse, die die Oxidation ein wenig verzögern. Oder aber kleinere Flaschen, mit einem halben Deziliter oder etwas mehr. Und ja, liebe Produzenten, die kleinen Flaschen sind teurer und so kosten Miniaturen proportional tatsächlich mehr. Aber wie glücklich ist eine Käuferin, die eine halbe Flasche wegschütten muss, weil grosse Teile des Aromas perdu sind? Dann vielleicht lieber ein Set mit drei Miniaturen, zusammen im Bundle mit dem favorisierten Filler? Think small!