Anschnitt

Bio, bioer, am biosten

Thomas Vilgis

Muss man Bio steigern? Gibt es gutes Bio und schlechtes Bio? Zumindest entsteht dieser Eindruck bei der Lektüre mancher Magazinbeiträge, besonders wenn verschiedene Bio-Zertifikate miteinander um die Gunst der Verbraucherinnen und Verbraucher konkurrieren. Demeter ist das Beste und Sicherste, so lautet die These, die handwerklich erzeugte Produkte ohne Bio-Zertifizierung damit in den Schatten stellt, obwohl diese in Geschmack und Frische ebenbürtig sind.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist bei solchen «gefühlten» Wahrheiten Vorsicht geboten, der blosse Glaube daran schon ungehörig. Es ist wissenschaftlich keineswegs geklärt, ob Bio-Gemüse gesünder ist als ein Produkt aus konventionellem Anbau, was im Wesentlichen daran liegt, dass niemand genau definieren kann, was «gesund» wirklich bedeutet. Wenn dem aber so wäre: Was ist dann der Unterschied zwischen all den verschiedenen Bio-Labels? Klar, so die einhellige Meinung: Demeter hat die strengsten Auflagen, ergo muss Demeter top sein.

Doch nicht alles, was der Hornmist hergibt, glänzt. Nach der Lehre des Anthroposophen Rudolf Steiner wird ein Kuhhorn mit Mist gefüllt, vergraben und wieder hervorgeholt, um damit das Wasser in einem Eimer unter festgelegtem Rühren zu «dynamisieren» und dieses danach auf den Feldern zu versprühen. Diese Homöopathie für die Felder ist Pflicht, um das Demeter-Label zu bekommen. Die Kür sind Erscheinungen wie Mondscheinkäse. Die gewaltigen Gravitationskräfte des Mondes bestimmen zwar Ebbe und Flut auf der Erde, dass sie aber beim Vollmondmelken Proteine und Fette der Kuhmilch «energetisieren», ist Esoterik pur. Erst recht, wenn der bioste Käse aus pasteurisierter Milch plastikverpackt im Laden liegt. Derlei Quatsch wird erst dann mehrwertig, wenn dereinst der Mond selbst aus grünem Sbrinz besteht.

Thomas Vilgis

Physiker am Max-Planck-Institut für Polymerforschung
Ausgabe: Salz & Pfeffer 1/2024 / Datum: 13.02.2024