Pizza zur Krönung
Als die verstorbene Queen gekrönt wurde, servierte man Curry Chicken. Soll gut angekommen sein in London, wenn man die zeitgenössischen Gazetten als Anhaltspunkt nimmt. Ob auch Charles III. Huhn mit fremdländischen Gewürzen auftragen lässt, sobald seine Zeremonie ansteht, ist offen. Täte er es, müsste er wohl mit dem Vorwurf der kulturellen Aneignung rechnen, wie er heutzutage gern erhoben wird. Oder gelten Ausnahmen für eine Stadt, in der es gefühlt Zehntausende von indischen Restaurants gibt?
Ist die Sache beim Curryhuhn noch diskutabel, werden die meisten Menschen zustimmen, dass Pizza Hawaii ein Verbrechen ist. Ananas auf gebackenen Teigfladen sollen schon zu Handgreiflichkeiten geführt haben, waren Italienerinnen oder Italiener anwesend. Der Täter, ein Kanadier mit griechischen Wurzeln, vergriff sich einst an Neapels Stadtheiligtum und eignete sich gleichzeitig ungefragt hawaiianische Kultur an. Streift man jedoch alle Vorurteile gegen diese Speise ab, lässt sich konstatieren, dass Ananaspizza ziemlich gut schmecken kann – vorausgesetzt, man nimmt frische Ware und keine Dosenfrüchte, fügt zum geschmacklichen Ausgleich feinsten Speck hinzu und spart sich den üblichen Oregano. Fusion Food der besseren Art, das ja, ähnlich wie Curryhuhn, die in vielen Küchen der Welt beliebte Kombination von fruchtig-süssen und herzhaften Zutaten aufgreift. Wer da was von wem angeeignet hat im Laufe der Jahrhunderte, lässt sich eh nicht mehr aufdröseln.
Wäre übrigens gar keine schlechte Idee, bei den Krönungsfeierlichkeiten des neuen britischen Königs Hawaii-Pizza anstatt Curryhuhn zu reichen. Allein aus Sparsamkeitsgründen. Natürlich mit echt englischer Ananas. Wächst tatsächlich dort, in Cornwall, in den Lost Gardens of Heligan. So schnell kann aus gastrokultureller Aneignung regionale Authentizität werden.