Anschnitt

Vorsicht beim Downgrading

Wolfgang Fassbender

Verzicht sei, hört man allenthalben, das Gebot der Stunde. Ferien in der Ferne gelten als verpönt, Fleischverzehr sei nicht mehr zeitgemäss und grosse Küche so was von gestern... Um- weltbewusst und schlicht tafele man heutzutage. Dem scheinen sich auch die Gastronomen und Gastronominnen anzupassen. Das Alex Lake am Zürichsee hat gerade den Verzicht aufs hauseigene Gourmetlokal angekündigt, das legendäre Kölner Zwei-Sterne-Restaurant Le Moissonnier wandelte sich soeben zu einer Art Bistro mit Snacks, Plat du Jour und Weinen per Glas, und Tim Raue aus Berlin serviert ausser asiatisch inspirierten High-End-Menüs neuerdings auch Königsberger Klopse und Hühnerfrikassee, will freilich bei den Preisen keine Abstriche machen. Auch eines der renommiertesten Stadtzürcher Lokale, das Pavillon im Baur au Lac, will sich umstellen. Genaueres erfährt man nicht, es sei denn, man hiesse Gault & Millau, aber dass es um etwas weniger High End und etwas mehr Alltagstauglichkeit gehen soll, ist anzunehmen.

Downgrading also. Der Gürtel wird enger geschnallt. Wer trotzdem nach Mallorca oder Mauritius fliegt, verrät es sicherheitshalber niemandem und konsumiert Kaviar und Champagner künftig vielleicht eher auf der eigenen, vor Empörung geschützten Terrasse. Vielleicht erleben auch elitäre, gut abgeschirmte Clubs einen Boom. Viele Wirtinnen und Wirte werden allerdings um eine Anpassung nicht herumkommen – und das muss kein Drama sein. Was man so kochen kann ohne Fisch und Fleisch, wissen ja viele gar nicht. Und wer kennt schon all die Pflanzen, die so auf Schweizer Wiesen wachsen und sich klimaneutral in feine Salate verwandeln lassen?

Aufpassen müssen wir nur, dass die Sache mit dem Herunterschrauben nicht eskaliert. Die Zeiten puritanischer Verkniffenheit kommen hoffentlich nie wieder.

Wolfgang Fassbender

Gastronomie- und Weinjournalist
Ausgabe: Salz & Pfeffer 5/2023 / Datum: 03.10.2023