Die Idee liegt in der Luft.
Am Anfang des Projektes Veg-Alp stand die Idee, das Bündnerland in Sachen pflanzenbasierter Rohstoffe kulinarisch zu erforschen. In Zusammenarbeit mit der Organisation Graubünden Viva entstand ein Konzept, das Bündner Traditionen mit weltweitem Know-how verknüpft. Insbesondere das berühmte Trockenfleisch diente für die Gemüse- Experimente als Vorlage.
Randen aus dem Domleschg von Bio-Bauer Marcel Foffa wurden gekocht, eingesalzen und gewürzt – und dann mit dem japanischen Edelschimmelpilz Koji gereift. Zum Schluss wurden sie auf der Alp in Davos getrocknet. Besagte Alp war Dreh- und Angelpunkt der Experimente rund um pflanzenbasierte Rohstoffe aus dem Bündnerland. Auch eine Art Sojasauce aus Bündner Gerste wurde hier angesetzt, in einem Holzfass vom Weingut Obrecht. In kalten Winternächten verwandelten sich Bergkartoffeln von Marcel Heinrich draussen in Chuños, nach dem Vorbild also der gefriergetrockneten Kartoffeln, wie man sie in den Anden kennt. Doch die veredelten Randen entpuppten sich als das mit Abstand begehrteste Objekt, auch medial.
Die Idee, Gemüse zu verarbeiten, als wäre es ein Stück Fleisch, als wäre es genauso wertvoll, liegt in der Luft. Das zeigte sich auch, als ein halbes Jahr nach dem Start des Veg-Alp-Projekts das Buch «Koji Alchemy» erschien. In diesem beschreibt Autor Jeremy Umansky (siehe Box), wie er Gemüse in aufschneidbare Delikatessen verwandelt. Im Interview erzählt er, dass die Idee, Gemüsecharcuterie zu produzieren, eine ganz natürliche Fortsetzung seiner Arbeit gewesen sei. Er habe bereits pflanzenbasierte Proteine mit Koji gereift gehabt – und daraufhin eine Methode entwickelt, auch Gemüse damit zu veredeln. Der Pilz produziere darauf Enzyme, die für gute Aromen sorgten.
Beim Vorhaben, Randen wie Bündner Trockenfleisch zu veredeln, wurde das Veg-Alp-Team rund um Koch Jann Hoffmann und Autorin Esther Kern anfangs von Fermentista Patrick Marxer unterstützt. Er setzte erste Bündner Randen mit Koji an, die dann auf der Davoser Alp trockneten. Die Koji-Reifung braucht Wärme über 48 Stunden. Die Idee war ursprünglich, diese Wärme auf der Alp mit einem Sonnenkocher zu produzieren. Aber wie es so ist: Manchmal hat man gute Ideen, die sich in der Realität aber als zu kompliziert oder zu teuer erweisen.
Dass Vegi-Charcuterie auch ohne Koji-Reifung geht, stellten indes die Macher der Jazzkantine in Luzern fest. Küchenchef Marcel Hurschler: «Wir haben Randen roh gebeizt, geräuchert und getrocknet.» Er servierte die so veredelten Randen beispielsweise als Amuse-Bouche: ein Bergkartoffel-Chip, darauf karamellisierten Ziegenkäse und zuoberst die Randen in Brunoise geschnitten. «Das passt, denn das Rauchige der Randen ergänzt das Knusprige des Chips und das Cremige des Käses», so Hurschler. Noch nicht zufrieden ist er mit der Konsistenz. «Ich möchte weiterversuchen, die Randen roh zu verarbeiten, ohne sie zu kochen», sagt der Küchenchef. Aber er müsse da noch etwas pröbeln. Was er als Nächstes versuchen will, ist, Wassermelonen-Rettich zu Charcuterie zu verarbeiten.