
Tatsächlich scheint die Euphorie mittlerweile doch etwas verflogen zu sein.
Um zehn Uhr morgens brutzelt es im Zürcher Restaurant Lindenhofkeller bereits tüchtig in den Pfannen. Patron Sebastian Rösch brät ein Schnitzel, derweil Benjamin Plsek, Küchenchef des Restaurants Maison Manesse, sich um einen Burger kümmert. Zusammen mit Corin Schmid (Küchenchefin der Restaurants Artisan und Drei Stuben) sowie Stefan Wieser (Weinstube by Stef ) haben sie sich bereit erklärt, für Salz & Pfeffer Fleischalternativen verschiedener Hersteller in einem lockeren Rahmen zu degustieren. Doch bevor es losgeht, brauchts ein bisschen Warenkunde.
Ein rasanter Aufstieg
Der Trend zu authentischen Fleischimitaten auf pflanzlicher Basis nahm ungefähr vor zehn Jahren in den USA so richtig Fahrt auf. 2013 präsentierte die Firma Beyond Meat ihre ersten pflanzlichen Fleischalternativen. 2016 brachte das von Biochemiker Patrick O. Brown gegründete Unternehmen Impossible Foods den Impossible Burger auf den Markt. Das Ziel beider Firmen war dasselbe: Die Ersatzprodukte sollen mindestens ebenso gut schmecken wie ihre tierischen Pendants, in der Herstellung aber massiv weniger Ressourcen verbrauchen und darüber hinaus gesünder sein.
Im Mai 2019 ging Beyond Meat an die Börse, der Ausgabepreis pro Aktie betrug 25 Dollar, schoss aber noch am gleichen Tag auf 66 Dollar und setzte anschliessend zu einem wahren Höhenflug an. Zwei Monate später notierte die Aktie bei 234 Dollar. Im gleichen Jahr entstand in Zürich die Firma Planted als Spin-off der ETH. Mit seinem Planted Chicken sorgte das Unternehmen in der hiesigen Gastronomie rasch für Furore. Bereits 2018 gelang es dem israelischen Start-up Redefine Meat, im 3D-Drucker aus pflanzlichen Proteinen Muskelfleisch nachzuahmen und daraus ein Steak, inklusive Fettstruktur und Blutsaft, zu formen. Von der Goldgräberstimmung anstecken liessen sich nicht zuletzt auch grosse Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé oder die Bell Food Group, die kräftig in diese Sparte investierten.
Heute finden sich in jedem Supermarkt Fleischalternativen diverser Marken. Das sei gut, aber auch schlecht, sagt Pascal Bieri, Mitgründer von Planted. «Das Engagement der multinationalen Firmen signalisiert dem Handel, dass der Markt Potenzial hat», sagt der 38-Jährige. Allerdings gebe es innerhalb des Angebots doch beträchtliche Qualitätsunterschiede. «Meine grosse Angst ist, dass viele Fleischalternativen nicht gut genug sind, um die Konsumentinnen und Konsumenten zu überzeugen. Letztlich schadet das uns allen.»
Zurück auf den Boden der Realität
Tatsächlich scheint die Euphorie mittlerweile doch etwas verflogen zu sein. 2021 konstatierte der vom Bund erstellte Schweizer Fleischersatz-Report zwar noch eine steigende Nachfrage (im Detailhandel). Demnach wurden 2020 in der Schweiz 117 Millionen Franken mit Fleischimitaten umgesetzt. Im Vergleich zum Gesamtmarkt (Fleisch inklusive Ersatzprodukte: 5,433 Milliarden Franken) war der Anteil allerdings mehr als überschaubar. Schlimmer noch: Seither ist nicht mehr viel passiert. So rechnet Bieri aktuell mit einem Marktanteil von 118 Millionen Franken. Dazu passt auch: Der Aktienkurs von Beyond Meat dümpelt zurzeit bei etwas über acht Dollar (Stand: 15. März) und der Börsengang von Impossible Foods wurde immer mal wieder verschoben, zuletzt auf 2024.
Ebenfalls von einer Stagnation des Marktes spricht Werner Ott, Geschäftsführer von The Green Mountain. «Wir haben es noch nicht ganz geschafft, eine Preisparität zum Fleisch herzustellen, unter anderem weil die Produktionsmengen zu tief sind.» Und auch er bestätigt: Ein Problem sei, dass sich im Markt unterschiedliche Qualitäten tummelten. Für die Zukunft bleibt der 60-Jährige indes optimistisch. «Insbesondere für die Generationen Z und Alpha sind vegane Fleischalternativen selbstverständlich.» Im Retail rechnet Ott für die Schweiz, Deutschland und Österreich denn auch mit einem Umsatzwachstum von heute 600 Millionen Franken auf 1,2 Milliarden Franken im Jahr 2028.