«In nassen Jahren sind sie sehr schwierig anzubauen.»
Steile These: In den letzten Jahren hat Youtube mehr für die Zwiebel getan als die meisten Kochbücher und -schulen. Wichtige Bloggerinnen und Blogger im weltweit wichtigsten Online-Medium befassen sich seit Längerem intensiv mit Schneidetechniken, mit Rezepten fürs Einlegen oder Zwiebelsuppe und ganz allgemein mit der Bedeutung der Zwiebel für die Kochkultur. Wer das Suchwort «Onion» oder «Zwiebel» eingibt, wird mit Vorschlägen überschwemmt, und tatsächlich gibt es von vielen der engagierten Köchinnen und Köche auf Youtube etwas zu lernen – auch für Profis.
Namentlich der unermüdliche Forscher Ethan Chlebowski hat sich im Frühling 2024 mit einem «Deep Dive» zum beliebtesten Liliengewächs der Welt hervorgetan, und man kann diese gründliche Arbeit nur allen ans Herz legen. 48 Minuten dauert die Sendung, in der er sich mit den verschiedenen Farben der Zwiebel befasst und ausführt, ob und wie man zwischen den einzelnen Farben Unterschiede herausschmecken kann. Spoiler: Man kann. Nicht umsonst spielen die diversen Zwiebelfarben in charakteristischen Gerichten weltweit eine entscheidende und äusserst vielfältige Rolle. Chlebowski verweist in seinem Video unter anderem darauf, dass man Unterschiede zwischen Zwiebeln manchmal auch erst im fertigen Gericht herausschmeckt respektive -spürt.
Die Sorten haben sich voneinander differenziert seit den Zeiten, als die römischen Soldaten – und die Siedler auf deren Spuren – sie immer weiter nördlich in Europa anpflanzten, weshalb es zahlreiche wenig bekannte Sorten gibt, die ausschliesslich in ihren Heimatgefilden zu haben sind. Manche von ihnen schafften dann den Sprung zur überregional begehrten Delikatesse. Zwei davon seien herausgegriffen: die Onion de Roscoff aus der Bretagne und die Cipolla di Tropea aus Kalabrien. Beides sind Sorten, die den gemüsigen Charakter der Zwiebel besonders herausstellen. Will heissen: Sie schmecken roh genauso gut wie gekocht, wobei sie in einem eher groben Viertelringschnitt als Teil von Gemüsegerichten wohl am meisten hermachen; so zumindest die bescheidene Meinung des Berichterstatters. Im Gegensatz zur Verwendung als klein geschnittenes Gewürz erzielt man auf diese Weise eine vielfältigere Textur, sodass das Essen schon vom Mundgefühl her einfach mehr Spass macht. Das Bild auf dem Teller präsentiert sich ebenfalls spannender, weil eben vielfältiger.
Die Vielfalt ist auch für Georg Blunier wichtig, der auf einer herrlich gelegenen Plattform über dem bündnerischen Tal Domleschg seinen Biohof Dusch betreibt. Gemeinsam mit der Zürcher Ladenkette Bachsermärt nahm er sich vor einigen Jahren vor, die Zwiebelvielfalt in der Schweiz zu fördern, und baute eine Reihe von Sorten an, die bei der Organisation für den Schutz seltener Kulturpflanzen Pro Specie Rara gelistet sind. Ein ehrbares Unterfangen – nur stellte sich heraus, dass diese alten Sorten nicht für alle Wetterbedingungen geeignet sind. «In nassen Jahren sind sie sehr schwierig anzubauen», sagt Blunier. «Angesichts des verregneten Sommers 2022 kamen wir auf die Welt, und auch im laufenden Jahr haben wir keine Zwiebeln in den Boden gebracht.» Er habe sich jedoch dazu entschieden, zumindest nächstes Jahr wieder Zwiebeln auszubringen. Und zwar die Sorte Sonka, auch bekannt als ungarische walzenförmige Zwiebel. «Sie sieht aus wie eine grosse Schalotte und hat sich sehr bewährt.» Der Name stammt übrigens daher, dass die Sonka in ihrer Heimatregion Ungarn gerne roh zu Schinken serviert wird.