«Nachhaltigkeit basiert auf drei Dimensionen: Ökologie, Soziales und Wirtschaftlichkeit.»
Schätzen Sie doch bitte einmal: Wie viele Gastronominnen und Gastronomen in der Schweiz haben wohl eine Ahnung vom Thema Kreislaufwirtschaft?
Chantal Julen: Wenn es darum geht, diese theoretisch zu erklären, vermutlich die wenigsten. Aber wenn wir die verschiedenen Aspekte, die dazugehören, betrachten – sei das in der Küche, beim Einkauf oder vor dem Gast –, beschäftigen sich wohl schon so einige mit dem Thema.
Dann überlassen wir die theoretische Definition also Ihnen.
Gern. Kreislaufwirtschaft heisst, dass man die Ressourcen, die man braucht, möglichst lange und effizient einsetzt. Dabei ist es wichtig, die Materialkreisläufe zu berücksichtigen, also zum Beispiel darauf zu achten, dass der Boden beim Gemüseanbau umweltschonend bearbeitet wird. Kreislaufwirtschaft ist zudem immer branchenübergreifend; deshalb betrachten wir die Gastronomie nicht als geschlossenes System, sondern fangen mit unseren Überlegungen bei der Landwirtschaft an und hören bei der Abfallentsorgung auf.
Warum eignet sich die Gastronomie besonders gut zum Ansetzen?
Generell existiert Kreislaufwirtschaft in jeder Branche, in der etwas entsteht. Über die Gastronomie lässt sie sich einfach sehr anschaulich thematisieren: Die Branche ist nah- und fassbar, wir haben alle einen Bezug zum Essen, viele gehen gern ins Restaurant und die meisten haben eine Meinung zum Thema. Allgemein gewinnt die Ernährung gesellschaftlich an Bedeutung; es ist den Menschen zunehmend wichtig, frisch und gesund zu essen, und sie denken vermehrt darüber nach, was in diesem Kontext alles passiert.
So diskutieren wir seit ein paar Jahren intensiver über die Problematik Foodwaste. Sind da in der Gastronomie bereits massgebliche Entwicklungen auszumachen?
Ein gewisser Wandel fand meines Erachtens statt – nur schon weil grössere Unternehmen feststellten, dass es sich auch wirtschaftlich lohnt, Massnahmen zu ergreifen. Und inzwischen gibt es auf technologischer Ebene gute Tools, die einem Betrieb helfen, ihren Foodwaste zu messen und entsprechend zu reagieren. Es besteht aber auf alle Fälle noch Verbesserungsbedarf in diesem Bereich.
Ist der finanzielle Anreiz Voraussetzung für eine Veränderung?
Das nicht, aber er hilft natürlich. Nachhaltigkeit basiert auf drei Dimensionen: Ökologie, Soziales und eben Wirtschaftlichkeit. Wenn Wirtschaftlichkeit und Ökologie verbunden werden können, verleiht das einer Entwicklung sicher Schub. Gleiches beobachten wir beim Thema Energie: Aktuell geraten die Betriebe finanziell stärker unter Druck – und plötzlich geht alles schneller. Aus dieser Perspektive gesehen, kann die Krise also auch eine Chance sein.
Dann kommt Ihre Website also gerade im richtigen Moment?
Schwierig zu sagen, wann der ist. Nachdem die Gastronomie erst durch die Pandemie unter Druck kam und nun mit steigenden Energiekosten zu kämpfen hat, fragt man sich schon, ob die Verantwortlichen gerade jetzt Zeit haben, sich mit dem Thema Kreislaufwirtschaft zu beschäftigen. Ich bin mir da nicht so sicher.
Sie plädieren aber trotzdem dafür, genau das zu tun.
Uns ist in diesem Zusammenhang vor allem wichtig, dass niemand von heute auf morgen den gesamten Betrieb umstellen muss. Es geht darum, einfach mal anzufangen, erste Schritte zu gehen, auch kleine. Kreislaufwirtschaft bietet so viele verschiedene Ansatzpunkte, dass jede und jeder da beginnen kann, wo entweder der Druck besonders gross ist oder es speziell leichtfällt, etwas zu verändern. Wir haben auf unserer Website neun Handlungsfelder definiert, die aufzeigen, wie vielfältig die Optionen sind, und wir geben konkrete Tipps, was Gastronominnen und Gastronomen an welcher Stelle beachten und eventuell ändern können.