Slow-Food-Produktionen besetzen eine Nische, die viele Konsumenten mit Luxus verbinden. In deren Köpfen ist die Idee eine Bewegung satter Wohlstandsbürger.
Ich weiss, und ich bedauere, dass dieses Klischee sich bis heute hält. Sicher hat es damit zu tun, weil die Bewegung in Italien, ich sage es jetzt mal ganz salopp, einst irgendwo zwischen Albatrüffeln und Baroloreben ihren Anfang genommen hat. Genuss ist ein, aber eben bei weitem nicht der einzige Aspekt von Slow Food. Wenn Gourmetköche unsere Anliegen aufgreifen und sie auf den Teller bringen, dann ist das sicher begrüssenswert. Unser Hauptaugenmerk liegt aber anderswo, es betrifft Themen, die keine privilegierte Minderheit, sondern ein grundlegendes Recht aller im Auge haben: den Zugang zu guten, sauberen und fair hergestellten Lebensmitteln. Sehr treffend veranschaulichen dies die Slow-Food-Gärten in Afrika.
Erzählen Sie.
Seit 2011 hat Slow Food fast 4000 Gärten in Afrika angelegt und dabei über 50 000 Menschen in 25 verschiedenen Staaten involviert. Bei den Gärten geht es um praktische Modelle nachhaltiger Landwirtschaft, die an ökologische, kulturelle und soziale Rahmenbedingungen angepasst sind und sich einfach reproduzieren lassen. Die Gärten weisen die Richtung zu einer alternativen Entwicklung, bei der die Lebensmittelherstellung wieder an die lokale Gesellschaft gekoppelt ist. Damit einher gehen Bildungsprojekte für Kinder und Jugendliche. Dabei geht es um Ernährungslehre, traditionelle Landwirtschaftspraktiken oder um den Erhalt von fruchtbarem Boden. Manche Gärten haben auch einen Fokus auf Saatgutvermehrung, und da zeigt sich, dass es sich eben lohnt, traditionelle, der Umgebung angepasste Sorten zu erhalten, weil sie viel widerstandsfähiger sind als das, was Saatgutkonzerne überallhin verkaufen. In Malawi zum Beispiel hatten die Gärten zur Folge, dass sich wieder mehr Kinder an den Schulen einschrieben, weil sie im Rahmen der Projekte dort lernten, wie sie Essen für sich und ihre Familien anbauen. Die afrikanischen Gärten sind, wenn Sie so wollen, ein Musterbeispiel von Ernährungssouveränität. 2020 sollen 300 weitere hinzukommen.
Wie gut ist die Slow-Food-Philosophie in der Gastronomie verbreitet?
Das ist je nach Land unterschiedlich. Das Vorbild ist und bleibt in dieser Hinsicht Italien, wo die Slow-Food-Idee von der Gesellschaft mitgetragen wird wie sonst nirgendwo. Dies hat natürlich damit zu tun, dass Italien das Ursprungsland der Bewegung ist, aber auch mit Carlo Petrini, ihrem Gründer, der im Land als Publizist eine starke Präsenz hat. Auch international tut sich einiges: Die Slow Food Chef Alliance, das internationale Netzwerk von Köchen, die sich für saubere und faire Produkte einsetzen, wächst stetig, und die Fragen, die uns beschäftigen, sind mittlerweile auch in der Gesellschaft angekommen. Aber es gibt noch Luft nach oben – und in jeder Hinsicht viel zu tun.