Futter fürs Gehirn

Die Vortragenden nahmen auf der Madrid Fusión 2024 kein Blatt vor den Mund. Guter Geschmack ist kein Zufall, und warum nicht mit Ribonucleotiden oder künstlicher Intelligenz nachhelfen?
Text: Wolfgang Fassbender – Fotos: z. V. g.
Veröffentlicht: 04.04.2024 | Aus: Salz & Pfeffer 2/2024
David Chamorro befasste sich mit dem Gehirn.

Einfach nur gut zu kochen, reicht nicht, um das Madrider Fachpublikum mitzureissen.

1246,25 Kilometer Luftlinie sind es zwischen Zürichs Innenstadt und Madrids Zentrum. Keine Kleinigkeit, gewiss, aber auch nicht unüberwindbar. Dennoch machten sich Schweizerinnen und Schweizer auf der diesjährigen Ausgabe der Madrid Fusión rar. Wenn nicht Andreas Caminada gewesen wäre, der Routinier aus Fürstenau, der bei seinem Vortrag das vorgebenene Zeitlimit klar unterschritt, hätte es ganz dunkel ausgesehen. Hiesige Köche und Köchinnen interessieren sich wenig für den Event auf dem zugigen Madrider Messegelände, und die spanischen Veranstalter wissen oft nicht, was sich in der Eidgenossenschaft oder in Deutschland in kulinarischer Hinsicht tut.

Eine gegenseitige Entfremdung, die verblüfft, zumal auch Caminada keinen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen schien. Für den sorgten vor allem jene Köche, die nicht nur Speisen aus ihrem Programm vorstellten, sondern eine neue Technik, eine Idee oder gar ein revolutionäres Konzept andeuteten. Einfach nur gut zu kochen, reicht nicht, um das Madrider Fachpublikum mitzureissen.

Andreas Caminada fasste sich kurz.
Eneko Atxa redete über künstliche Intelligenz.
Andreu Genestra sprach über den Klimawandel und Fleisch im Fettmantel.

Immerhin gab Caminada die Richtung vor. Man wolle, sagte er, die Geschmacksknospen der Gäste aktivieren. Wie man das allerdings noch machen kann, ausser durch kluges Kochen, das erzählte David Chamorro, der Chef des Food Idea Lab in der spanischen Hauptstadt. Dass es so etwas überhaupt gibt, ist schon der Rede wert. Dass der Mann offen darüber sprach, wie man das Belohnungssystem des Gehirns ansprechen könne, war indes noch spannender. Umami, na klar. Aber Penta-Ribonucleotide? Dopamin? Warum nicht etwas davon ins Essen mischen, wenn die natürlichen Bestandteile nicht ausreichen? Auch der Geruch sei wichtig, erläuterte Chamorro. Terpene zum Beispiel. Ein durchwegs spannender Vortrag. Achten die Köchinnen und Köche eigentlich genau auf das, was ihre Gerichte in den Gehirnen der Gäste auslösen? Und wäre es schlimm, sich von den althergebrachten, an Auguste Escoffier orientierten Prinzipien, einen Gang zusammenzustellen, noch weiter zu lösen?

Während das Publikum noch über das Für und Wider von Drogen im Essen grübelte, gab es weiteres Futter fürs Gehirn. Nicolas Decloedt vom Brüsseler Restaurant Humus x Hortense kritisierte die oft zu hohe Süsse in der Patisserie, und Paco Morales vom Noor in Córdoba tauchte ein ins 17. Jahrhundert. Wie lassen sich die Traditionen der kochenden Urahnen in die Gegenwart überführen? Wem nun der Kopf zu rauchen begann, der begab sich vom Auditorium zur benachbarten Getränkeverkostung. Als Apéro gab es Wermut: ein ewiger Trend in Madrid!

Der Klimawandel in der Küche 
In Südspanien sieht man die dunklen Wolken am Horizont deutlicher als anderswo. «Der Klimawandel hat alles geändert», sagte Andreu Genestra, Chef des nach ihm benannten Restaurants im Osten Mallorcas, seufzend. Tatsächlich wurden auf der Madrid Fusión 2024 die Auswirkungen von zurückgehendem Niederschlag und höheren Temperaturen erst angedeutet. Doch spätestens auf der Foodmesse des kommenden Jahres dürfte das Thema notgedrungen vertieft werden.

Künstliche Intelligenz in der Küche
Über Artificial Intelligence reden gerade alle – warum sollten da Köchinnen und Köche eine Ausnahme machen? Eneko Atxa, Chef des dreifach besternten Restaurants Azurmendi nahe Bilbao, widmete diesem Thema besonders viel Zeit. KI, sagte er, könne helfen, die Rezepte zur personalisieren, den CO2-Fussabdruck zu verkleinern oder das Wine-Food-Pairing zu verbessern. Ersetzen werde die künstliche Kochintelligenz die Kollegen und Kolleginnen aus Fleisch und Blut aber nicht. Immerhin!



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