Ideen aus der Branche

Ja, wie sieht sie denn aus, die Küche der Zukunft? Wie ist sie gebaut, welchen Ansprüchen muss sie gerecht werden – und was sollte man dafür dringend erfinden? Wir haben Profis gefragt, enorm viele Antworten erhalten – und eine Auswahl davon (verkürzt) zusammengestellt.
Redaktion: Sarah Kohler – Fotos: z. V. g., Archiv Salz & Pfeffer
Veröffentlicht: 14.02.2023 | Aus: Salz & Pfeffer 1/2023

«Wir stellen fest, dass Küchen oft noch wie in den Siebzigerjahren geplant und gebaut werden.»

Melanie Kempf und Sebastian Funck, Wirtschaft im Franz, Zürich: «Wir spüren, dass die Gastronomie im Wandel ist. Wenn sie weiterhin erfolgreich sein will, muss ein Umdenken in Sachen Ressourcen stattfinden, sowohl den personellen wie energetischen. Alte Muster der Ausnutzung und starre Hierarchien gehören abgeschafft, es braucht neue Modelle der Zusammenarbeit. Nur in einem Klima des Miteinanders ist es möglich, Verantwortung wirklich aufzuteilen – die Grundvoraussetzung für die Vereinbarkeit von Arbeit im Restaurant mit dem Privat- respektive gleichberechtigten Familienleben. Die Küche der Zukunft sollte zudem einen sorgfältigeren Umgang mit Wasser und Energie fördern. Integrierte Wasser- und Stromzähler können versteckte Energieschleudern und Arbeitsgänge, die viel Wasser verbrauchen, aufdecken. Allgemein würde es Sinn ergeben, Wasser zu rezyklieren und Abwärme zu nutzen. Und überfällig ist die Erfindung einer Vakuumbeutel-Alternative aus nachhaltigem Material, die gut funktioniert.»

Tarik Lange, Küchenchef, Park Hyatt, Zürich: «Die Profiküche der Zukunft wird einfacher: mehr Regionalität, weniger exklusiv, dafür durchdachter. Im Zentrum stehen neue Geräte, Techniken und Abläufe. Parallel dazu werden wir abhängiger vom Personal und müssen schauen, dass wir dieses zufriedenstellen. Neben Konzeptuellem wie zum Beispiel Trendküchen, Pop-ups oder veganer respektive vegetarischer Kost beschäftigen uns Intoleranzen und Allergene zunehmend. Was gekocht und zubereitet wird, ist von den Ressourcen und von den Gästen vorgegeben.»

Rolf Caviezel, Freestylecooking GmbH, Grenchen: «Meine Küche der Zukunft ist beweglich, teils sogar auf Rädern, sodass ich flexibel bin und die Küche in einen Gastraum umfunktionieren kann. Dank integrierten Magnetrührern in den Pfannen kann ich Saucen oder Suppen autonom laufen lassen – auch mit weniger Mitarbeitenden. Der Gefriertrockner wird zum Standardgerät. Ausserdem verfügt meine Zukunftsküche über einen Biotrockner, mit dem ich aus Essensresten Erde zum Weiterverkaufen machen kann. Für meine Küche der Zukunft bräuchte es als Mitarbeitende mehr Querdenkerinnen und Querdenker; die allgemeine Lehre gäbe es nicht mehr wie bis anhin, sondern in Form eines Basis-Küchensemesters mit anschliessenden Weiterbildungen auf verschiedenen Spezialgebieten in dafür geeigneten Betrieben.»

Ludovico de Vivo, Küchenchef Château Gütsch, Luzern: «Die Küche der Zukunft ist die Ernährung der Zukunft. Wenn es 2050 tatsächlich etwa zehn Milliarden Menschen geben sollte, ist viel zu tun, und zwar heute. Die Küche der Zukunft wird eine echte, verantwortungsvolle und nachhaltige Küche sein, die auf die Verwendung von gesunden Rohstoffen achtet. Eine lokale Küche mit mehr Respekt gegenüber dem Planeten. In den letzten zehn Jahren haben sich die Prioritäten der Konsumentinnen und Konsumenten bereits entwickelt – und tun das weiter. Besonders dringend sind ein verantwortungsvoller Umgang mit den Energieressourcen und eine sorgfältige Verwendung von Rohstoffen. Den Aufbau eines gemeinsamen Projekts zur Wiederverwertung von Abfällen – nicht nur von Lebensmittelabfällen – halte ich für angemessen. Ich glaube jedoch nicht, dass es einer besonderen Erfindung bedarf. Die Technologie ist in der globalen Gastronomie vorhanden, aber sie wird sich in der Lebensmittelindustrie von der Produktion bis zum Vertrieb stark entwickeln. Das Internet ist dabei eine grosse Hilfe, in- dem es Plattformen für den Austausch schafft. Die Beschäftigten in der Branche müssen sich an die technologische Entwicklung anpassen, indem sie sich stark an den Kreations-, Produktions- und Entwicklungsprozessen beteiligen. Abschliessend glaube ich, dass die Kundschaft während des Lebensmittelprozesses immer präsenter sein wird und die gesamte Fertigungskette verfolgen kann.»

Sebastian Zier und Richard Schmidtkonz, Einstein Gourmet, St.Gallen: «Die Zukunftsküche ist gesund, wenn möglich regional, reduziert, produktbezogen und nachhaltig. Wir müssen vermehrt auf Allergien und Unverträglichkeiten Rücksicht nehmen und flexibel auf Trends reagieren. Für die Küche der Zukuft gilt es, Mit- arbeitende an sich zu binden und eine gute Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Geregelte Arbeitszeiten und ein fairer Lohn sollten keine Fremdwörter sein. Planerisch braucht es mehr Platz: Oft sind die Küche sowie insbesondere Kühlhäuser und Froster schlicht zu klein. Das erschwert es, neue Arbeitsprozesse einzuführen und effizient zu arbeiten. Apropos: Wir wünschten uns einen Thermomix mit grösserem Fassungsvermögen.»

Stefan Medwenitsch, F&B-Manager, Le Grand Bellevue, Gstaad: «Die Profiküche der Zukunft ist nachhaltig, regional, saisonal, puristisch, schlicht – aber mit Qualität. Als grösste Herausforderungen sehe ich den Klimawandel, den Generationenwechsel, das Thema Tierwohl und die Preisgestaltung. Die Abläufe in der Küche der Zukunft müssen vereinfacht werden, weil wir immer weniger Fachkräfte zur Verfügung haben – und mehr Gäste kommen werden. In diesem Sinne bräuchte es für die Küche der Zukunft vor allem mehr motivierte Menschen, die den Beruf in der Gastronomie leben und lieben.»

Michaela Frank, Küchenchefin, Kultur Lokal Rank, Zürich: «Ich denke, dass die Küche der Zukunft flexibler ausgelegt sein wird. Eine strikte Einteilung der Posten etwa ist je nach Konzept nicht sinnvoll, ein fluiderer Aufbau spielt uns da in die Hände. Im Rank sind die meisten Geräte nicht fix verbaut, sodass wir eine Herdplatte auch mal gegen ein Sous-vide-Gerät austauschen können. Wir brauchen künftig eine modulare Bauweise, um die Organisation individueller zu gestalten und Prozesse neu zu denken. Generell sollte die Küche der Zukunft die Fragen der Nachhaltigkeit mehr verinnerlichen, auf Ressourcenverschleiss geachtet, energiearm und mit nachhaltigen Materialien gearbeitet werden. Ein Thema, das meines Erachtens auf uns zukommt, ist das Upcycling von alten Geräten und Küchen. Neu ist oft nicht die nachhaltigste Lösung, und ich fände es schön, wenn die Geräte wieder für eine längere Nutzung gebaut würden. Die Digitalisierung bringt zwar viele Vorteile, aber die Lebenszyklen moderner Geräte sind oft viel kürzer.»

Roger Reuss, Key-Account-Manager, Hugentobler Schweizer Kochsysteme AG, Schönbühl: «Ein 08/15-Küchenmanagement hat keine Zukunft. Da spielen standardisierte Prozesse, die zeitunabhängige Vorproduktion, Inhouse-Convenience in höchster Qualität und der regionale Einkauf die tragende Rolle. In erster Linie muss die Küche der Zukunft den Gästebedürfnissen gerecht werden: Gefordert sind Regionalität, Nähe und Transparenz sowie eine ‹hausgemachte› Küche in guter Qualität. Dafür braucht es in Anbetracht des Fachkräftemangels neue Arbeitszeitmodelle, mehr Wertschätzung und höhere Löhne. Wir stellen fest, dass Küchen oft noch wie in den Siebzigerjahren geplant und gebaut werden. Wie in der Zeit also, in der Effizienz und Fachkräftemangel kein Thema waren. Heute sind jedoch Systeme gefragt, die ein effizientes Arbeiten und Prozessmanagement ermöglichen. Ich denke nicht, dass es spezielle Erfindungen braucht, sondern dass es vielmehr darum geht, bereits auf dem Markt erhältliche Geräte und Kochsysteme richtig zu ver- netzen und anzuwenden. Leider lernt man das noch nicht in Berufs- oder Hotelfachschulen. In der Küche der Zukunft sind zudem die Menschen ge- fordert; von ihnen braucht es Offenheit, Neugierde und den Willen, gewisse Pfade zu verlassen.»

Sandra Schirmeier, Co-CEO und Leitung F&B, Hiltl AG, Zürich: «Die Küche der Zukunft ist von viel Arbeitsfläche und mobilem Geräteinventar geprägt: Sie passt sich dem Angebot an. Zudem wird sie energieeffizienter und gewährleistet eine ‹Gute Herstellungspraxis› auf kleinem Raum. Heute moderne Kochtechniken werden zum Standard, während weitere hinzu- kommen, die uns noch fremd sind. Zudem hält die Digitalisierung Einzug und überholt verstaubte Prozesse. Der Personalmangel in der Branche sowie die Ansprüche der Arbeitnehmenden veranlassen Gastronominnen und Gastronomen zum Umdenken und zur Veränderung des Angebots. Zusätzlich gilt es, Themen wie Energie und Energierückgewinnung zu beachten. Neben den wichtigsten Punkten Digitalisierung, Energieeffizienz und Hygiene plädiere ich in der Küche der Zukunft für mehr Einfachheit in der Bedienung. Weg mit der zunehmenden Administrierung der Küche, mit den unnötigen Displays und Touch-Feldern – und zurück zu den einfachen Knöpfen!»

Andreas Handke, Küchenchef, Bei Babette, Zürich: «Wenn es um die Küche der Zukunft geht, sehe ich diverse Herausforderungen, auf welche die Gastronomie vermehrt eingehen muss. Stark zusammengefasst, gehören dazu zum Beispiel die Verantwortung gegenüber der Natur, die Schliessung von Kreisläufen oder die Forderung von Öko- und Gesundheitskennzeichnungen. Die Küche der Zukunft ist an solche Herausforderungen angepasst. Und sie wird von Profis geführt; von gut ausgebildeten Fachleuten also, die auf soziale, ökologische und ökonomische Faktoren Rücksicht nehmen. Da haben wir – die Verbände, Berufsschulen und Ausbildnerinnen und Ausbildner – viel aufzuholen, um den Beruf wieder attraktiver zu machen. Darüber hinaus sollten Themen wie Energie(kosten), Recycling und Zero Waste unbedingt in die Planung der künftigen Küche einfliessen. Dass es dafür neue Erfindungen braucht, glaube ich nicht – im Gegenteil: Alles ist im Überfluss vorhanden. Ich plädiere für die Rückbesinnung auf unsere Wurzeln. Wofür brauchen wir einen Infrarotofen? Ein offenes Feuer in der Profiküche ist doch viel spannender.»

Stephan Widmer, Head of Culinary Development and Menuplanning, Compass Group, Kloten: «Die Profiküche der Zukunft setzt auf Multifunktionalität, Energieeffizienz und Digitalisierung. Der Fokus liegt auf der Optimierung von Prozessen und der Arbeitsteilung. Ausserdem wächst das Interesse an einer integrierten Produktion, zum Beispiel in Form eines Minigewächshauses für Salate und Kräuter. Parallel dazu muss die Küche der Zukunft der Tatsache gerecht werden, dass kaum mehr gleichzeitig viele gelernte Köchinnen und Köche darin stehen werden. Sie schafft es, multifunktional, digital und innovativ bei unveränderter Personalstärke mitunter grössere Volumina zu bewältigen. Bezüglich Fachkräftemangel sind zwei Punkte essenziell: Die oft noch immer im Keller untergebrachte Küche braucht mehr Tageslicht. Zusätzlich ist eine gute Planung notwendig, die Effizienz und einen reibungslosen Ablauf sicherstellt und so zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden beiträgt. Ein weiterer Aspekt ist der Anspruch auf Gästeseite nach Transparenz: Frontcooking oder Events wie Kitchenpartys gewinnen an Bedeutung, genauso wie eine umfassende Information über Produkte, deren Herkunft oder Allergene.»

Tino Staub, Executive Chef, Widder Hotel, Zürich: «In der Industrie wird künftig noch mehr mit Geräten ‹gekocht› und standardisiert, während in den Hotel- und Restaurantküchen immer noch Menschen gebraucht werden, die ein Erlebnis bieten. Entsprechend ist eins der grossen Themen für die Profiküche der Zukunft, Leute zu finden, die Freude am Beruf haben, ihnen eine gute Infrastruktur und ein gutes Arbeitsumfeld zu bieten. Parallel dazu gilt es, die Prozesse zu optimieren, sodass man auch mit Teilzeitmitarbeitenden und ungelerntem Personal die gewünschte Qualität erreicht. In der baulichen Planung sind je nach Betrieb individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen, auf jeden Fall sollte aber darauf geachtet werden, dass ein effizientes Arbeiten möglich ist, genug Produktions- und Lagerfläche zur Verfügung stehen und die Wege kurz sind.»

Rolf Caviezel
Richard Schmidtkonz und Sebastian Zier
Andreas Handke
Michaela Frank
Stephan Widmer
Peter Prüfer (Foto: Thomas Biasotto)
Thomas Nussbaumer (Foto: Roy Matter)
Ludovico de Vivo (Foto: Torvioll Jashari)
Christof Nienstedt
Carlos Navarro
Sandro Koch
Amanda Lea Richter
Sebastian Titz
Yusuke Sasaki

Sandro Koch, Schulungsleiter Verfahrenstechnik, Salvis AG, Oftringen: «Die Digitalisierung spielt in der Küche der Zukunft eine entscheidende Rolle; sei das im Bereich HACCP, bei der Kalkulation, beim Rezeptieren oder in Form innovativer Küchentechnik. Der Prozessgedanke muss gelebt werden: Wenn vorausschauend gearbeitet wird und entsprechend weniger reagiert werden muss, ist eine Entlastung der Mitarbeitenden in Spitzenzeiten möglich.»

Peter Prüfer, Küchenchef, Hotel Bären, Gonten: «Im Hinblick auf die Küche der Zukunft sehe ich zwei unterschiedliche Wege. Zum einen wird in vielen Konzepten wohl zunehmend mit Convenience-Waren gearbeitet – wobei ich durchaus auch hochwertige Fertigprodukte meine –, zum anderen gibt es die Back-to-the-roots-Philosophie. Entsprechend werden in der Küche der Zukunft die einen viel erwärmen und eventuell in grossen Mengen fertigstellen sowie sich an Hygienestandards halten müssen, während die anderen selber einwecken, räuchern, das Gemüse vom Bauern mit Erde verarbeiten und ganze Tiere zerlegen wollen.»

Simon Frey, Produktetrainer, BSH Hausgeräte AG, Geroldswil: «Die Profiküche der Zukunft ist bereits da; mit Geräten, die Programme hinterlegt haben und es den Nutzern und Nutzerinnen einfacher machen, Speisen zu kreieren. Das entlastet die Köche und Köchinnen, weil sie nicht permanent neben den Geräten beziehungsweise Produkten stehen müssen. Wo man noch investieren kann, ist im Energieverbrauch: Die Geräte sollten so energiesparend wie möglich produzieren, ohne bei der Geschwindigkeit zu grosse Einbussen zu verzeichnen.»

David Heimer, Küchenchef, Josef, Zürich: «Ich sehe künftig hauptsächlich drei Arten von Profiküchen. Die erste ist die Fastfoodkette, die mit minderwertigen, billigen Importprodukten arbeitet, die im Ausland auf Kosten der Natur produziert werden, und Essen in Massen herstellt. Die zweite ist auch eine Massenproduktion, aber mit gesunden Gerichten. Die Kulinarik ist dabei sekundär, die Lebensmittel werden in effizienten Indooranlagen gefertigt und unkomplizierte, genmanipulierte Produkte gefördert. In beiden Küchen ist mehr Automatisierung möglich und kein hochgeschultes Personal nötig. Und dann ist da die dritte Küche, in der das Handwerk und die Produktqualität hochgehalten werden. Sie unterstützt die Diversität von Lebensmitteln, hängt aber von gut ausgebildeten Mitarbeitenden ab, die mit ihrer Passion den Unterschied machen und nicht durch Maschinen ersetzt werden können. Wir müssen aber einsehen, dass es immer schwieriger wird, einen solchen Betrieb wirtschaftlich zu führen. Wichtig dafür sind die stetige Weiterbildung sowie energiesparende Geräte und Technologien, die zeitintensive Arbeiten erleichtern. Ich wünschte mir zum Beispiel eine Maschine, die Artischocken perfekt rüstet. Oder eine nachhaltig arbeitende Klimaanlage, welche die Küchentemperatur senkt und die abgeführte Hitze fürs Restaurant verwendet.»

Stefan Lünse, Küchenchef, Lenkerhof Gourmet Spa Resort, Lenk im Simmental: «Die künftige Küche muss flexibel gestaltet sein. Wichtig sind Arbeitsflächen auf ergonomischer Höhe, kurze Wege, mobile Geräte und leicht zu reinigende Arbeitsplätze. Die Küche darf nicht zum limitierenden Faktor werden, wenn es um die Umsetzung diverser Konzepte, wechselnde Gästegruppen oder saisonale Umstellungen geht. Damit die Küche den Praxistest besteht, gilt es, schon in der Planung sämtliche Abläufe durchzudenken, die Bedürfnisse aller Beteiligten einfliessen zu lassen – also der Mitarbeitenden, aber auch der Gäste oder Lieferanten – und sich Gedanken über die Hygiene, Entsorgung, Energieversorgung oder Logistik und Lagerung der Lebensmittel zu machen.»

Sebastian Titz, Küchenchef Verve by Sven, und Amanda Lea Richter, Director of F & B, Grand Resort Bad Ragaz: «Die Profiküche der Zukunft muss es dem Küchenchef und seinem Team ermöglichen, einen guten Bezug zum Konzept herzustellen. Sie muss so ausgestattet sein, dass auch nicht explizit geschultes Personal gut mit den Einrichtungen umgehen kann. Auf jeden Fall muss sie energieeffizienter werden. Ausserdem wären moderne Anstellungskonditionen wünschenswert. Ganz gross geschrieben wird das Thema Nachhaltigkeit! Dazu kommen die Aspekte Lebensmittelverfügbarkeit und die Frage, welche Lebensmittel mit der immer fragiler werdenden Umwelt noch vertretbar sind. Im Hinblick auf die Mitarbeitenden gilt, dass diese sich am Arbeitsplatz wohlfühlen sollen – und zum Beispiel die Temperaturen in der Küche stimmen. Auch die Flexibilität des Equipments kann dazu beitragen: Die Küche der Zukunft muss modularer und flexibel einsetzbar werden. Wenn sich etwa ein Restaurantkonzept verändert, man einen Event plant oder Abläufe generell angepasst werden, wäre es schön, wenn die Küche ‹mitgeht›. Darüber hinaus wünschen wir uns mehr Möglichkeiten für den kücheneigenen Anbau von Lebensmitteln: Hydroponik, Sprossenschränke, Pilzkulturen, Kräutergarten ... Erfunden werden sollte zudem ein Entsorgungssystem, das den Müll nach Kategorien trennt und ohne Zusatzaufwand den passenden Containern zuführt. Zum Schluss sollte der Müll gewogen und analysiert werden – sodass die Daten proaktiv dazu beitragen, Abfall zu reduzieren. Und darüber hinaus können Kochtechniken, die Müll generieren – etwa das Tournieren –, genau wie altertümlich anmutende Hierachien aus der Küche der Zukunft verschwinden.»

Thomas Nussbaumer, Präsident Schweizer Kochverband, Luzern: «Von der Anlieferung bis zum Gast und retour in die Werterhaltung, in den Abwasch und die Reinigung müssen Küche und Gastraum der Zukunft prozessorientierter geplant werden und konsequent auf Funktionalität und schlanke Arbeitsabläufe ausgerichtet sein. Die Anlieferung und das Einräumen ins Lager übernimmt der Lieferbetrieb, und ein System für die Mise en Place hilft, die Speisen effizient, schonend und in konstanter Qualität zu produzieren. Alte und neue Methoden, um Lebensmittel haltbar zu machen, werden eingesetzt, und in der Fertigung werden die einzelnen Komponenten zu Gerichten kombiniert – am besten direkt vor den Gästen, sodass diese sehen können, wie und was in der Küche gearbeitet wird, und zugleich der Weg für den Service kurz ist. Das benützte Geschirr verräumt der Gast nach Möglichkeit selbst, und nach der Reinigung wird es mittels fahrbarer Einheiten wieder zurück an den Ausgangsort gebracht. Neben einer ausgeklügelten Infrastruktur braucht es dafür bestens ausgebildete Fachkräfte, die das Angebot, die Warenbeschaffung, Vor- und Zubereitung, Fertigung und Reinigung planen und koordinieren. Und es braucht Personen, die in Teilbereichen ausgebildet sind und die Arbeiten ausführen. Hilfreich sind zudem Bestellplattformen, die allenfalls die Lagerbewirtschaftung übernehmen, sowie unterstützende Instrumente, um Mengen und Vorlaufzeit der Speisen im Griff zu haben und die Produktion energie- und gerätetechnisch sowie personell ideal zu planen.»

Michéle Müller, Executive Chef, Kempinski Palace, Engelberg: «In der Küche der Zukunft braucht es ein Au- genmerk auf die Platzverhältnisse, wenn alte Geräte durch neue Technologie ersetzt werden. Und die Postenverteilung muss überdacht werden. Ein wichtiges Thema ist ausserdem die Vermeidung von Abfall: Im Kempinski Palace haben wir eine Bio-Waste-Maschine dafür, versuchen, auf Plastik weitestgehend zu verzichten, unnötiges Vakuumieren zu vermeiden und unseren C02- Fussabdruck zu verkleinern – indem wir zum Beispiel eine Fahrgemeinschaft für Lieferanten gründen oder Bestellungen zusammenlegen. Ein wichtiger Punkt in der Küche der Zukunft ist zudem die stärkere Fokussierung auf den Menschen: auf die Gäste und deren verändertes Essverhalten, aber auch auf die Mitarbeitenden und ihre Work-Life-Balance. Denn was wir in der Küche der Zukunft am meisten brauchen, sind Menschen mit Liebe und Leidenschaft für den Job.»

Georgios Eleftheriadis, Area Culinary Director Central & Southern Europe, Russia and Turkey – Corporate Food & Beverage, Radisson Hotel Group: «Um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen, wird sich die Profiküche der Zukunft durch zeitgemässe Funktionalität auszeichnen: kürzeste Laufwege, gepaart mit modernster Technik. Automatisierte Prozesse, die unsere Geräte vollumfänglich übernehmen, werden der Schlüssel zum Erfolg sein, um mit weniger verfügbarem Personal Qualität und Auswahl bieten zu können. Convenience-Food wird ein immer wichtigerer Baustein – die Infrastruktur muss sich dem anpassen. Automatisierte Kochkessel, Kippbratpfannen, Konvektomaten der neusten Generation sind ein Muss. Dazu kann man sagen: Im Bereich Equipment lässt der Markt kaum Wünsche offen! Zu überdenken ist indes die allgemeine, durchwachsene Meinung in Bezug auf Convenience-Produkte. Ich drücke es vorsichtig als ‹Produktion-Outsourcen› aus: Das werden viele Köchinnen und Köche im Alltag einbauen müssen. Der Einsatz von Convenience erlaubt konstant gute Qualität, hilft uns, Arbeitszeiten im Griff zu haben, und vereinfacht den Einsatz von un- gelernten Mitarbeitenden.»

Yusuke Sasaki, Küchenchef, Mikuriya, Zürich: «Künstliche Intelligenz wird in der Küche von morgen meiner Meinung nach eine grosse Rolle spielen. Ich sehe diesen Trend schon in meiner Heimat Japan und anderen asiatischen Ländern. Die Küche der Zukunft wird viel digitaler sein, so wie man es etwa aus der Automobilindustrie kennt; mit Geräten und Systemen, die beispielsweise automatisch die Temperatur oder den Garungsgrad anpassen. Langfristig werden die Köchinnen und Köche von Maschinen ersetzt werden. Schlagwort Kitchenaid: Eine Maschine kocht das perfekte Menü selbstständig. Ein weiteres grosses Thema ist allerdings die Energie. Die Geräte brauchen Unmengen an Strom. In der Küchenplanung müssen wir langfristig denken, uns fragen, wie der Arbeitsplatz von morgen aussieht, wie gearbeitet wird und welche Geräte es benötigt. Ein besonderer Fokus sollte darauf liegen, die Umgebung für die Arbeitnehmenden zu verbessern, zum Bei- spiel hinsichtlich der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und -qualität.»

Christof Nienstedt, Küchenchef, Beausite, Zermatt: «Die Profiküche der Zukunft wird noch stärker auf Effizienz und Effektivität ausgerichtet sein. Regionalität und der nachhaltige Umgang mit Ressourcen bleiben im Fokus, allerdings wird die Schere zwischen Zubereitenden und Fertigstellenden weiter auseinandergehen. Beglückt man seine Gäste als Zubereiter, der personalkostenintensiv mehr oder weniger alles handwerklich selber produziert, oder als Fertigsteller in einem Gastrosystem mit verstärktem Einsatz von externer Mise en Place und Convenience-Produkten, in dem dafür die Warenkosten höher liegen? August Escoffier hat mit der Einführung der Postenküche den Taylorismus in den Gastroküchen etabliert und in Häusern, die sich den Luxus grosser Brigaden leisten können, ergibt das bis heute Sinn. Bei Um- oder Neubauten sollte darauf geachtet werden, dass auch mit weniger Mitarbeitenden möglichst effektiv und effizient, ergonomisch und insbesondere posten- übergreifend gearbeitet werden kann. Vor allem darf nicht nur bis zum Pass gedacht werden. Es ist immer gut, Abläufe auch aus der Perspektive vom Service anzuschauen.»

Arno M. Kirchmayr, Küchenchef, Bodenhaus, Splügen: «Die Küche der Zukunft ist mit hochwertigen Materialien versehen, etwa Oberflächen aus Keramik mit Lotuseffekt, die sich einfach reinigen lassen. Selbstreinigende Abzugshauben mittels Enzymen gehören genauso dazu wie eine energiesparende indirekte Beleuchtung. Ein grosses Thema ist die Nachhaltigkeit; es gilt, Energie einzusparen und Abfall zu vermeiden. Rohstoffe sind wertvoll. Bei der Planung der Küche der Zukunft sollte der Aspekt des Tageslichts unbedingt einbezogen werden – ganz nach dem Motto: Raus aus dem Keller, näher zum Gast! Erfindungen könnte ich mir einige vorstellen: höhenverstellbare Arbeitsflächen, zum Beispiel bakterienhemmende Kühlschubladen mit UV-Licht, Kombigeräte, die sich per Ultraschall selber reinigen, oder aber rutschfeste und dämpfende Bodenbeläge wie in einer Turnhalle.»

Carlos Navarro, Küchenchef und Gesellschafter Rechberg 1837, Zürich: «Die Küche der Zukunft wird sich optisch vermutlich nicht gross von der heutigen unterscheiden. Da Kosteneffizienz aber immer wichtiger wird, wird sich wohl aber die Nutzung verändern, zum Beispiel dahingehend, dass nicht mehr nur ein Konzept in einer Küche gefahren oder dass die Infrastruktur nicht mehr nur von einer Partei genutzt wird. Das ergibt Sinn. Ausserdem wird die Küche der Zukunft prozessorientierter und nicht zu statisch gebaut, sondern so, dass einzelne Module ausgetauscht werden und ans Konzept angepasst werden können. Des Weiteren wird sich unsere Ernährung weiter hin zu einer vermehrt pflanzlichen verändern. Darauf sind unsere Küchen und Küchensysteme heute aber noch nicht so ganz ausgelegt – zumindest im Profibereich gibt es aktuell zu wenige explizit dafür gemachte Geräte.»



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