Ein Löffelchen für Instagram ...
Kulturwissenschaft ist eine feine Sache. Sie wirft mitunter einen entlarvenden Blick auf gegenwärtige Essgewohnheiten, ganz ohne Belehrung und philosophische Unklarheiten. Für die auslaufende Spargelsaison etwa sind die neuesten Ergebnisse von Gunther Hirschfelder, dem führenden Kulturwissenschaftler in Genussfragen, von einschneidender Bedeutung. Die Generation Z wende sich generell von dem traditionellen Setting der klassischen Küche – sprich Teller mit Gemüse, Sauce, Fleisch und «Sättigungsbeilage» – ab. Selbst Spargel verliere bei der jungen Generation immer mehr an Bedeutung: Das Gemüse sei nicht bowl- und löffeltauglich.
Lange Stangen, die man bei Tisch schneiden muss, empfinden viele als unpraktisch. «Die junge Generation braucht am besten Dinge, die mit einem Löffel zu essen sind», erläutert Hirschfelder. Offenbar lässt sich ein Teller mit langen Spargeln mit dem Handy in der Hand nicht während des Essens sofort auf Instagram vertiktoken.
Nun esse ich selbst gern mit einem Gourmetlöffel. Und als hobbykochender Naturwissenschaftler hätte ich für die Spargel-«Problematik» sogar eine bowltaugliche Lösung parat. Man nehme ein paar geschälte Stangen, schneide sie mit einem scharfen Messer in zwei bis drei Zentimeter lange Stücke, dünste sie in der Pfanne mit etwas gesalzener Butter, Estragon, Liebstöckel und grobem Senf, montiere nochmals mit Butter auf, gebe das Ganze in einen tiefen Teller, lege ein paar Kapern dazu, reibe etwas Zitrusschale darüber und geniesse das Ganze als Löffelgericht. Indes greift meine handyfreie Hand wahlweise zum Glas feinstem Païen oder zur Baguette. Das Mobiltelefon bleibt still, die Augen sind geschlossen. Und das Gehirn, das nach dem letzten Spargel der Saison giert, hat dabei die Gelegenheit, genüsslich auf Stand-by zu schalten.