Abgesehen von der Optik habe das Schalentier aus dem Zürichsee mit Meeresmuscheln nichts gemeinsam, sagt Widmer: «Geschmacklich gibt die Muschel nicht viel her. Da braucht es viel Beiwerk, um Spannung aufzubauen. Für uns ist sie interessant, weil sie aus dem Zürichsee kommt. Das ist eine ungewöhnliche Geschichte, die zu unserer Philosophie passt und den Gast interessiert.» Mit der Zürichsee-Muschel, die Umami neuerdings über Bianchi vertreibt, beschäftigt sich laut Vock noch keine Handvoll Köche. Zu ihnen gehört Markus Burkhard vom Restaurant Jakob in Rapperswil. «Es gibt viel Luft nach oben, wenn es darum geht, das kulinarische Potenzial unserer Seen auszuschöpfen», glaubt er. «Die asiatische Körbchenmuschel eröffnet uns da ein neues Spektrum. Ob wir längerfristig am Produkt festhalten, wird sich zeigen.»
Im Gegensatz zu Widmer vom Park Hyatt verzichtet Burkhard auf Beiwerk und versucht, der Essenz der Muschel auf die Spur zu kommen. Etwa mit einer Mayonnaise auf der Basis von Muschelprotein statt Eiern. «Durch die Nase können wir den See riechen», sagt er, «diesen feinen, manchmal kaum wahrnehmbaren Duft, der sich je nach Wetter verändert, tragen auch die Muscheln in sich. Mir gefällt die Idee, dieses Aroma dem Gaumen zugänglich zu machen.»
Gegenstand weiterer Experimente, an denen Burkhard tüftelt, ist Seegras aus dem Zürichsee. Vock, der die Algen erntet, weiss nicht genau, um welche Art es sich handelt: «Ich kenne die giftigen Seegräser und habe mich beim Rest so lange durchprobiert, bis eines schmeckte.» Die Küchensaison für besagte Alge sei fast vorüber, sie beginne im Frühsommer, wenn genügend Licht auf den Seeboden treffe, und Ende / Mitte August: «Dann bilden die Blätter eine Art Blüte und werden zäh.» In einem ersten Schritt kochte Burkhard aus dem Seegras einen Fond, dessen Essenz er zu einer Ölinfusion verarbeitete. Damit aromatisiert er beispielsweise warmen Rinderfond, den er zu Rindstatar angiesst. Die Zürichsee-Alge sei im Hinblick auf ihr Aroma ebenso wenig mit einem maritimen Pendant vergleichbar wie die lokale Muschel, sagt Burkhard: «Sie schmeckt, wie soll ich sagen, nach Seeboden. Wie bei der Muschel interessiert mich auch hier die Möglichkeit, den See und seine Geschmäcker auf subtile Weise ins Spiel zu bringen.»
Nah am Ziel glaubt sich Küchenchef Widmer beim Versuch, aus der gleichen Alge eine heimische Variante zum Nori- Blatt herzustellen. Im Bestreben, dereinst ein Sushi anbieten zu können, das mit Ausnahme der Reiskörner ausschliesslich aus Zürichsee-Produkten besteht, begann er im letzten Jahr mit dem Wässern, Trocknen, Pressen und Rösten der Algenblätter. «Es hapert noch beim Pressen», sagt Widmer, «als Sushi-Blatt ist die Platte noch zu dick, obwohl ich sie mit allem Möglichen beschwert habe.» Abhilfe erhofft er sich von einem elaborierteren Pressverfahren. Offen ist auch, wie er sein Nori-Blatt aromatisch verfeinern will. «Salz möchte ich eigentlich keines zugeben, das scheint mir nicht ins Zürichsee- Konzept zu passen», sagt der Küchenchef. «Vielleicht entsteht beim Rösten im Holzofen ein interessantes Aroma, möglicherweise verbrennt das Ding auch. Wir werden sehen – ich bleibe dran.»