Auf der Extrameile

Der Hype war gross, als das Zürcher Restaurant Silex vor gut einem Jahr eröffnete, nicht zuletzt wegen Küchenchef George Tomlin und dem Ruf, der diesem vorauseilte. Inzwischen ist der Engländer angekommen – und versteht das hiesige Publikum.
Text: Sarah Kohler – Fotos: Samir Seghrouchni
Veröffentlicht: 14.02.2023 | Aus: Salz & Pfeffer 1/2023
Runkelrübe, Mandarine, Holunder, Felchen

«Es geht um mehr als mein Essen.»

Dass das Restaurant Silex schon vor seiner Eröffnung im November 2021 als heisse Zürcher Gastroadresse gehandelt wurde, liegt nicht nur, aber zu einem beträchtlichen Teil an George Tomlin (und dem Ruf, der ihm vorauseilt). Der Engländer hatte in Neuseeland kochen gelernt und war in Australien zweimal zum besten Nachwuchskoch gekürt worden, bevor er in London erst im The Clove Club anheuerte und dann die Küche im P. Franco führte, einer der besten Naturweinbars der Welt. Auch das Silex, das der 32-Jährige nach ein paar pandemiegeprägten Pop-ups in Zürich mit seiner Frau Julia von Meiss und Partner Jean-Denis Roger begründete, ist ein Restaurant mit einem ausgeprägten Fokus aufs Thema Wein. «Es geht um mehr als mein Essen», sagt Tomlin. «Um ein ganzes Erlebnis.»

Wobei das, was auf dem Teller liegt, durchaus eine Hauptrolle spielt. Mit unbändiger Begeisterung für die Produkte, die er verarbeitet, und grossem Respekt vor den Menschen, die dahinterstehen, rückt Tomlin vermeintlich Simples wie die Runkelrübe oder den Felchenrogen raffiniert in Szene. Dabei ist ihm ein feines Gespür dafür, was nicht nur kulinarisch, sondern auch gastronomisch funktioniert, nicht abzusprechen – obschon er sich nicht als Trendsetter sieht. «Wir machen einfach, was wir selbst mögen», sagt Tomlin und lacht. «Das Silex ist die logische Fortsetzung dessen, was ich in den letzten Jahren gelernt und gesehen habe.»

Auch das Zürcher Publikum hat den zweifachen Vater bereits eine Lektion gelehrt: «Ich muss zugänglicher werden», lautet Tomlins Fazit. «Persönlich würde ich ja gern einfach rohes Mangalitza mit super-scharfem Kimchi auftischen, aber ganz so funky ist hier nicht gefragt.» Ausserdem habe er sich im Silex inzwischen angewöhnt, den einen oder anderen Arbeitsschritt einzusparen, sagt der ambitionierte Koch. «Meine Gerichte mussten weniger aufwendig werden.» Die Aussage entlockt seiner Frau im Hintergrund ein herzliches Lachen: «Ach was! Die Extrameile gehst du nach wie vor.»

Tomlins Hang zum Perfektionismus steht ausser Frage. «Zudem wird mir halt rasch langweilig; ich will mich entwickeln, mag nicht stehenbleiben.» Wenn eins seiner Gerichte auf der Karte so richtig gut zu laufen beginnt, sieht der Küchenchef deshalb oft schon die Zeit gekommen, es wieder davon zu entfernen.

Restaurant Silex, Freyastrasse 3, 8004 Zürich, 044 210 30 30, silexrestaurant.ch

Duroc-Schwein, Topinambur, Senf, Kohlsprossen
Sticky Toffee Pudding, Pfeffer, Blutorange, Chantilly meringuée

Runkelrübe, Mandarine, Holunder, Felchen

 

Gebackene Runkelrübe, gesalzene Mandarine, Holunder und Felchenrogen
1 mittelgrosse Runkelrübe | 1 kleiner Bd. Thymian | 1 Mandarine, gesalzen für 6 Monate | 100 g Olivenöl extra vergine (plus ein wenig zum Backen der Rübe) | 30 g Holunderessig | 20 g Holunder-Zuckersirup | 1⁄2 Bd. Schnittlauch | 50 g Felchenkaviar vom Zürichsee | Salzflocken

Den Ofen auf 150 °C vorheizen. Die Rübe mit wenig Olivenöl, Salz und Thymian einreiben, in Alufolie wickeln und backen, bis sie ein bisschen weich ist – je nach Grösse dauert das zwischen 11⁄2 und 2 Stunden. Auskühlen lassen.

Das Innere der gesalzenen Mandarine entfernen. Die Zeste für 1 Stunde in Wasser einweichen, dann in kleine Würfel schneiden (0,75 Millimeter). Den Schnittlauch fein schneiden.

Die Haut der abgekühlten Rübe sanft abschälen. Anschlies- send die Rübe dünn aufschneiden, zum Beispiel mit der Auf- schnittmaschine. Die Scheiben auf einem Teller anordnen und mit wenig Salz bestreuen.

In einer Schüssel das Olivenöl, die Mandarinenwürfel, den Holunderessig und -sirup, den Schnittlauch und die Felchen- rogen vermischen. Mit einem Löffel über die Rübe verteilen.

Duroc-Schwein, Topinambur, Senf, Kohlsprossen

 

Duroc-Schwein
400 g gereifte Lende vom Duroc-Schwein (von Das Fleisch) | 300 g Schweinejus | 2 TL Apfelschnaps | 2 TL Apfelessig | 2 TL gelbe Senfsamen, gepickelt | 1 grosse Schalotte, Brunoise | 1 TL grüne Pfefferkörner, gepickelt | Öl | Salz

Topinamburpüree
300 g Topinambur | 100 g Butter | 100 g Milch

Zwei Drittel des Topinamburs nehmen und grob raffeln. Butter in der Pfanne aufkochen, bis sie leicht braun wird, und den Topinambur hinzugeben. Auf mittlerer Hitze weiterkochen, bis der Topinambur karamellisiert. Milch beifügen, aufkochen lassen, fein pürieren und mit Salz abschmecken.

Topinamburchips

Den restlichen Topinambur auf einer Mandoline in zirka 2 Millimeter dicke Scheiben schneiden, 1 Stunde in Wasser einlegen, abtropfen und trockentupfen. Die Scheiben in Öl bei 130 °C frittieren, bis sie braun und knusprig sind. Salzen.

Chou farci
200 g Schulter vom Duroc-Schwein (ohne Knochen) | 100 g Rückenfett vom Duroc-Schwein | 1 TL Fenchelsamen, geröstet und grob zermahlen | 1 TL schwarze Pfefferkörner, geröstet und grob zermahlen | 1 grosses Stk. Fettnetz | 1 Stk. Wirz

Schulter und Rückenfett hacken. Mit 1,2 % Salz (Verhältnis zum Gewicht des Hacks) würzen, die Fenchelsamen und Pfefferkörner dazugeben. Den Mix in vier gleichmässige Blöcke aufteilen. Anschliessend den Wirz entblättern (Blätter ganz lassen), in gesalzenem Wasser blanchieren, in Eiswasser tauchen und trockentupfen. Das Fettnetz in Wasser einweichen, bis es geschmeidig ist. Den Hackmix erst in ein Wirzblatt, dann in eine doppelte Lage Fettnetz einrollen. Abkühlen lassen.

Röstzwiebeln
2 grosse Schalotten, fein geschnitten

Die Schalotten im gleichen Öl wie den Topinambur frittieren, bis sie braun und knusprig sind. Salzen.

Kohlsprossen
100 g Rosenkohl, in Blätter zerpflückt | 100 g Blumensprossen, Boden weggeschnitten | 1 TL Spätburgunderessig | Öl | Salz

Fertigstellen

Die Schweinelende in aufschäumender Butter garen, ab und zu auf dem Grill wenden. Ruhen lassen. Die Choux farcis in Pflanzenöl braten, bis sie von allen Seiten Farbe bekommen, ein Stück Butter beigeben und durchbraten. Die Jus in 2 Pfannen erwärmen: In die eine den Apfelessig und den Schnaps (Jus 1), in die andere die rohe Schalotten-Brunoise, die Senfkörner und die grünen Pfefferkörner (Jus 2) geben. Das Topinamburpüree erwärmen. In einer heissen Pfanne den Rosenkohl und die Blumensprossen anbraten, bis sie leicht erschlaffen. Vom Herd nehmen und den Spätburgunderessig beifügen. Mit Salz würzen.

Die Schweinelende in Scheiben schneiden und mit dem Püree, den Chips sowie der Jus 1 anrichten. Auf einem separaten Teller die Choux farcis mit der Jus 2, den gebratenen Kohlsprossen und den Röstzwiebeln kombinieren.

Sticky Toffee Pudding, Pfeffer, Blutorange, Chantilly meringuée

 

Salted Caramel
175 g Muscovadozucker | 50 g Butter | 225 g Rahm | 5 g Salz

In einer heissen, trockenen Pfanne den Zucker karamelli- sieren lassen. Vorsichtig die Butter dazugeben und mit dem Schneebesen unterrühren. Den Rahm hinzufügen und auf kleiner Flamme weiter erhitzen, bis die Mischung emulgiert ist.

Pudding
150 g Weissmehl | 25 g Roggenmehl | 1 TL Natron | 7 g Backpulver | 2 Eier | 100 g Milch | 150 g Apfelsaft | 140 g Muscovadozucker | 85 g Butter, weich | 75 g Walnüsse, geröstet und zerkleinert | Salted Caramel

Den Ofen auf 180 °C vorheizen. Butter und Zucker in einem elektrischen Mixer schaumig schlagen. Die Eier einzeln dazugeben. Mehl, Natron, Backpulver und Nüsse (trockene Mischung) sowie separat Milch und Apfelsaft (nasse Mischung) vermengen. Die Hälfte der trockenen mit der Hälfte der nassen Mischung in den Mixer geben und mixen, bis sie verbunden sind. Mit der anderen Hälfte wiederholen. Den gesamten Mix in eine Kuchenform giessen und für zirka 20 bis 22 Minuten backen. Aus dem Ofen nehmen und das Salted Caramel darübergiessen. Nochmals für rund 20 Minuten backen, bis das Ganze kara- mellisiert und viskos ist.

Blutorangen
1000 g Blutorangen | Zucker | Agar-Agar | 1 Sternanis | 1⁄2 Zimtstange

500 g der Blutorangen segmentieren, 500 g der Blutorangen entsaften. Zum Saftgewicht 10 % Zucker und 1,2 % Agar-Agar geben. Mit Zimt und Sternanis aufkochen, absieben und im Kühlschrank setzen lassen. Anschliessend fein pürieren.

Pfeffer-Glace
320 g Milch | 80 g Rahm | 120 g Zucker | 100 g Eigelb | 4 g Madagaskar-Pfefferkörner, geröstet und grob zermahlen

Eigelb und Zucker mit den Pfefferkörnern mischen. Die Milch und den Rahm aufkochen und über den Eigelb-Mix schlagen. Langsam zu einem Custard auskochen. Pacossieren.

Chantilly meringuée
150 g Eiweiss | 240 g Zucker | 80 g Wasser | 200 g Rahm | 1 Blutorangenzeste

Wasser und Zucker mischen und auf 121 °C aufkochen. Das Eiweiss im Mixer aufschlagen und den weichgekochten Zucker dazugeben. Vermengen, bis die Mischung abgekühlt ist, dann kühlstellen. Den Rahm mit der Blutorangenzeste aufschlagen und ebenfalls kühlstellen. Wenn beides kalt ist, vorsichtig vermengen.



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