Gewürz fürs Gemeinwohl

Kampot-Pfeffer ist ein doppelter Glücksfall – für die Gourmets dieser Welt ebenso wie für die Bauernfamilien der kambodschanischen Provinz. Was macht die Zutat so besonders?
Text: Klaus Sieg – Fotos: Martin Egbert
Veröffentlicht: 04.06.2024 | Aus: Salz & Pfeffer 3/2024

«Letztes Jahr konnte ich gerade einmal 240 Kilogramm ernten, und das war ein gutes Jahr.»

Chang Deang wischt seine Hand an der abgetragenen Arbeitshose ab. Vorsichtig greift er nach einer der Rispen mit den grünen Körnern, zieht einige ab und legt sie auf seine Handfläche, an der eben noch die rötliche Erde klebte. «Probieren Sie mal, die sind schön scharf.» Ein Lächeln öffnet das hagere Gesicht des Farmers. «Wir kochen häufig mit dem jungen, grünen Pfeffer», sagt der 67-Jährige aus der kambodschanischen Provinz Kampot. «Am liebsten essen wir ihn mit Shrimps und Reisnudeln.»

Die Schärfe breitet sich rasch im ganzen Mundraum aus. Aber da ist noch mehr: der Geschmack nach Zitrusfrüchten und Thymian zum Beispiel, nach Mineralien und etwas Eukalyptus sowie nach frischem Grün. Still und freundlich beobachtet Deang die Reaktion seines Gegenübers. Er weiss um die Besonderheit seines Pfeffers. Schliesslich pflanzt und pflegt er diesen in dritter Generation. Täglich geht er durch die Reihen der bis zu fünf Meter hohen Pflanzen, die sich jeweils zu zweit an einem Holzpfahl emporranken. Ursprünglich wächst Pfeffer im Wald, in dem er an den Bäumen in Richtung Sonnenlicht klettert. Je nach Jahreszeit schneidet Deang zurück, kontrolliert auf Schädlinge, lockert den Boden, düngt und bewässert. «In der Trockenzeit muss ich das jeden zweiten Tag tun, die Pfefferpflanze braucht viel Wasser.» Dafür hat er einen Teich angelegt, in dem er Regenwasser sammelt. Zwischen März und Juni dann wird fast täglich geerntet. Alle diese Arbeiten erledigen Deang, sein Schwiegersohn sowie seine beiden Töchter ausschliesslich per Hand. Das sichert die hohe Qualität des Produktes.

Ein rares Gut
Kampot-Pfeffer soll der beste der Welt sein. Küchenchefs und Hobbyköchinnen schwören gleichermassen auf das Gewürz aus dem Südwesten Kambodschas. Die dort produzierten Mengen sind überschaubar. Lediglich 300 Pfefferpflanzen wachsen auf Deangs Farm, die kaum grösser als ein halbes Fussballfeld ist. «Letztes Jahr konnte ich gerade einmal 240 Kilogramm ernten, und das war ein gutes Jahr», sagt er. In der Provinz Kampot beträgt die Jahresernte knapp 80 Tonnen. Die Pflanzen dort bringen im Durchschnitt je kaum mehr als ein Kilo Pfeffer. In Vietnam dagegen, das mit 220000 Tonnen pro Jahr als weltweit grösstes Produktionsland gilt, kommt das Vier- bis Fünffache pro Pflanze zusammen. Es ist auch seine geringe Verfügbarkeit, die den Kampot-Pfeffer so begehrt macht.

Vor allem aber ist es seine besondere Qualität. Diese ist den traditionellen Anbaumethoden auf den überwiegend kleinen Farmen geschuldet, aber auch dem sehr feuchten und warmen Klima nahe der Küste am Golf von Thailand sowie den mineralhaltigen und durchlässigen Böden. Ausserdem wächst der Pfeffer in Kampot oft an alten Pflanzen, die tiefe Wurzeln ausgebildet haben. Darüber hinaus ist die Verwendung von chemischem Dünger sowie Pestiziden verboten. Deang düngt seine Erde ausschliesslich mit Kuhmist und Guano. Den Fledermauskot sammeln die Farmer mit Planen unter Bäumen, an denen die Tiere hängen. Andere Bauernfamilien stellen ausserdem Düngemittel aus Reisfeldkrabben, aus Rinderknochen oder aus Garnelenschalen her. Schädlinge hält Bauer Deang mit Jauche aus Neem oder Tabak fern.

Festgeschrieben ist der Grossteil der Methoden im Regelwerk der Kampot Pepper Promotion Association, in der knapp 350 Produzenten aus der Region organisiert sind. Nur sie dürfen ihr Erzeugnis Kampot-Pfeffer nennen. Zwar gehört der Vereinigung auch die relativ grosse La Plantation an, eine für ihren Agrotourismus bekannte Vorzeigefarm, die etwa einen Drittel des gesamten Kampot-Pfeffers produziert. Der überwiegende Teil der Produzierenden indes betreibt Farmen von der Grösse Deangs. Wie aber konnten diese kleinen Farmer, von denen die meisten kaum oder gar nicht zur Schule gingen und die meist noch nie ihr Dorf verlassen haben, die Küchen dieser Welt erobern

Französisches Engagement
Das hat viel mit Sébastien Lesieur zu tun. «Ich kannte den Pfeffer aus Kampot noch von meiner Grossmutter in Frankreich.» Der 44-jährige Franzose mit der runden Brille und den kurzen, grauen Haaren sitzt an einem Holztisch in einer Villa am Stadtrand von Kampot, dem Sitz seines Social Enterprises Farmlink. Auf dem Tisch stehen Gläser mit rotem, weissem und grünem Pfeffer.

Lesieur lebt seit über 20 Jahren in Kambodscha. Davor arbeitete er als Ingenieur für Kommunikationstechnologie in Paris. Langeweile und Tristesse trieben ihn nach Südostasien. In Kambodscha war er zunächst im Entwicklungsdienst tätig. Dann gründete er Farmlink. Die Organisation verarbeitet und vermarktet den Pfeffer von bis zu 80 kleinen Produktionsbetrieben aus der Region. Sie unterstützt die Farmer bei der Verbesserung des Anbaus und hilft ihnen bei der Vorfinanzierung ihrer Ernte. Vor allem aber verschafft sie ihnen Zugang zu den Märkten in Europa und bezahlt einen fairen Preis. «Wir bezahlen doppelt so viel wie die anderen in Kampot und das Zehnfache von dem, was ein Pfefferfarmer zurzeit in Vietnam bekommt.»

Sébastien Lesieur kümmert sich um die weltweite Vermarktung von Kampot-Pfeffer.
Chang Deangs Leben verbesserte sich durch den Export des Pfeffers.
Der schwarze Pfeffer wird mehrere Tage zum Trocknen in der Sonne ausgebreitet.
Qualitätskontrolle mit der Pinzette: Im Zweifel prüfen die Mitarbeiterinnen jedes einzelne Korn.

Franzosen waren es auch, die als Vertreter der Kolonialmacht den Anbau von Pfeffer in Kampot einführten, um damit den Bedarf im eigenen Land zu decken. Von den 8000 Tonnen Gesamternte des Kampot-Pfeffers, die Anfang des 20. Jahrhunderts in der Region produziert wurden, ging über die Hälfte nach Frankreich. Noch 1960 gab es in Kampot rund eine Million Pfefferpflanzen. Das allerdings fand 1975 ein jähes Ende, nachdem die Roten Khmer nach einem langen Bürgerkrieg ihre Schreckensherrschaft errichtet hatten, die bis zu 2,2 Millionen Kambodschanerinnen und Kambodschanern das Leben kostete. Aus Pfefferplantagen wurden mittels Zwangsarbeit Reisfelder. Der Kampot-Pfeffer geriet in Vergessenheit. Zwar wurden die Roten Khmer durch den Einmarsch Vietnams 1979 gestürzt. Sie konnten sich aber als Guerillaarmee in einigen Regionen halten, unter anderem in den Bergen Kampots. Erst Ende der Neunzigerjahre kam das kleine Land mit heute knapp 17 Millionen Einwohnenden endgültig zu Ruhe. Seit den Nullerjahren läuft auch die Wiederbelebung des Pfefferanbaus in der Provinz.

Aufwendiges Prozedere
2005 gegründet, war Farmlink also so gut wie von Anfang an dabei. Die Anzahl der vertretenen Farmer und die Mengen an Pfeffer variieren von Jahr zu Jahr. Insgesamt aber steigt der Absatz deutlich. «Vor zehn Jahren waren es fünf bis sechs Tonnen, heute vermarkten wir über 20 Tonnen pro Jahr», so Lesieur. Damit bringt Farmlink einen Viertel der gesamten Ernte der Provinz Kampot in die Welt. Jede Charge lässt sich dank genauer Dokumentation bis zum einzelnen Kleinbauern zurückverfolgen. Alles wird bei Farmlink sorgsam bearbeitet.

Vor Lesieurs Büro breiten Mitarbeiterinnen im Garten auf langen Tischen schwarzen Pfeffer zum Trocknen aus. Zuvor haben sie ihn per Hand in grossen Wannen gewaschen und im heissen Wasserbad von Keimen befreit. «Wasserdampf wäre zu heiss, er würde den Aromen schaden», erklärt Lesieur. Das Trocknen geht über mehrere Tage. Abends schieben die Mitarbeiterinnen den Pfeffer wieder zusammen und lagern ihn ein. Am nächsten Tag breiten sie ihn von Neuem aus. Immer wieder sortieren sie dabei schadhafte Körner aus.

Am Ende der Trocknung, vor der Verpackung der Ware, gibt es eine finale Qualitätskontrolle. In einem Raum der Villa sitzen Mitarbeiterinnen in weissen Kitteln mit Masken und prüfen die Körner mit einer Pinzette, mit der sie verbliebene Stängel abknipsen. Bis zu einem Fünftel der Ernte wird so bei der Bearbeitung noch einmal aussortiert. Lesieur begutachtet eine Schale mit schwarzen Körnern. Auf Khmer gibt er Anweisungen und scherzt mit den Mitarbeiterinnen. Die Stimmung ist locker. Farmlink bezahlt auch seine Angestellten gut, die an fünf anstelle der im Land sonst üblichen sechs Tagen pro Woche arbeiten.

Nuancen im Aroma
Wie bei anderen Sorten gibt es drei verschiedene Pfeffer aus Kampot. Reif sind die Pfefferbeeren, wenn sich ihre Haut am Strauch rot verfärbt. Werden sie dann geerntet, wird ihre Schärfe durch viel Süsse ausbalanciert. Sie schmecken fruchtig und passen zu Salaten oder Suppen. Schwarzer Pfeffer wird aus den unreif geernteten, grünen Beeren gewonnen, die über einige Wochen in der Sonne trocknen und sich mit der Zeit verfärben. Er schmeckt scharf und kräftig, eignet sich am besten für Fleischgerichte. Bei weissem Pfeffer wird die Haut abgewaschen, was ihm eine pikante und säuerliche Note verleiht.

Noch sind die Körner an den Pflanzen von Deang grün. Die Erntezeit beginnt in einigen Wochen. Dann fährt fast jeden Tag ein Transporter von Farmlink vor. Eigentlich lag die Farm seiner Familie etwas weiter in den Bergen. Die Roten Khmer zerstörten sie. Mehr möchte Deang nicht erzählen. Lieber spricht er davon, wie er vor über 20 Jahren die Tradition wieder aufgenommen hat. Seither ging es für ihn vor allem dank Farmlink bergauf. «Wir können Helfer bezahlen, schafften ein Motorrad, einen kleinen Traktor und eine Pumpe für die Bewässerung an», sagt er. «Zudem renovierten wir unser Haus und kauften Möbel.» Für den eigenen Bedarf baut die Familie Reis und Gemüse an. Das Einkommen aber bringt der Pfeffer. Dann reicht Deang uns ein paar grüne Körner. Pfeffer aus Kampot tut gut. Den kleinen Farmern. Und dem Gaumen sowieso

Bezug
In der Schweiz vertreibt die Freiburger Delikatessenhändlerin CK Plus den Kampot-Pfeffer von Farmlink.
ckplus.ch, my-culinary.ch



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