Dieser Meinung ist auch Gregor Vörös, Gastgeber im Kräuterhotel Edelweiss auf der Rigi. «Hat man Hefenahrung, Zucker und einen Aromengeber, kann man vergären», sagt er. Als 2018 der hauseigene, über 450 Sorten umfassende Kräutergarten in voller Pracht stand und auch die Beerensaison sehr ergiebig war, kam Vörös im Austausch mit befreundeten Winzern auf die Idee, Wein herzustellen. Auch Literatur über Beeren-, Frucht- und Kräuterweine studierte er vor den ersten Versuchen. Und Vörös lernte schnell: «Aroniawein etwa mussten wir aufzuckern, um einen anständigen Alkoholgehalt hinzubekommen», erinnert er sich. Der Gastgeber begann mit trocken ausgebauten Aroniabeeren, Cassis und Birnen in kleinen Chargen à 100 Liter pro Sorte. Weil jede Frucht bei der Gärung anders reagiert, müsse man experimentieren und Erfahrung sammeln. «Aronia enthält viele Gerbstoffe, noch mehr als Trauben. Wir stellen diesen Wein nun zwei Jahre zur Seite und schauen, wie sich die Gerbstoffe einbinden», erklärt Vörös. Frisch und sauerbetont sei der Cassiswein geworden, mit einem reinen Cassisaroma im Vordergrund, ideal für den Dessertbereich.
Verschiedene Blumen und zwölf Kräuter wurden auf der Rigi als Schaumwein ausgebaut. Weil laut Lebensmittelgesetz bei Kräutern nicht von Weinen gesprochen werden darf, nennen Vörös und sein Team diese Produkte nun «Kräutermousseux». Im Neun-Gänge-Menü des Regina Montium, des Sterne-Restaurants im Kräuterhotel Edelweiss, ist stets einer der eigenen Schaumweine Teil der Getränkebegleitung. Jener aus Zitronenduftperlagonie zum Beispiel passe prima zu leichten Fischgerichten wie einem Ceviche, sagt Vörös. Generell setzt er auf Kräuter mit wenig Bitterstoffanteil. Die Kräutermousseux herzustellen, sei noch komplexer als Fruchtwein, weil bei vielen Kräutern gewisse Spurenelemente in der Maische fehlen, von denen sich die Hefe ernährt. Ausser beim Holunder, der sehr viel wilde Hefe auf der Blüte hat, kommt bei Blumen und Kräutern die alte starke Reinzuchthefe 1895C zum Einsatz. «Elf der Kräutermousseux sind derzeit noch auf der Hefe; wenn ich sie brauche, degorgiere ich sie vorneweg», erklärt Vörös. Ungeniessbar sei der Schaumwein aus Liebstöckel. «Weil sich die ätherischen Öle beim Gären teilweise stark verändern, funktionieren nicht alle Kräuter. Zitronenthymian etwa bekommt ein seifiges Aroma.» Sogar Topinamburblätter versuchte Vörös einzumaischen – mit einem «nicht sehr schmeichelhaften Kohlgeschmack» als Resultat.
Dessen ungeachtet gehen die Frucht- und Kräuterweinversuche auf der Rigi dieses Jahr weiter. «Grundsätzlich», sagt Vörös und lacht, «wird Traubenwein als Speisebegleiter nämlich total überschätzt.»